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Kultur: Fliegende Sofas, blonde Tische: Design aus Skandinavien

Alle, die glauben, ihren Lebensstil gefunden zu haben, seien vor dem Besuch dieser Ausstellung gewarnt. Denn die Dinge, die unter dem Titel „Skandinavisches Design jenseits des Mythos“ im Kunstgewerbemuseum zu sehen sind, kratzen an herkömmlichen Gestaltungsprinzipien und machen Lust auf Neues.

Alle, die glauben, ihren Lebensstil gefunden zu haben, seien vor dem Besuch dieser Ausstellung gewarnt. Denn die Dinge, die unter dem Titel „Skandinavisches Design jenseits des Mythos“ im Kunstgewerbemuseum zu sehen sind, kratzen an herkömmlichen Gestaltungsprinzipien und machen Lust auf Neues. Mythen sind langlebig: nordische Abgeschiedenheit, Schlichtheit, Funktionalität, Naturnähe, „blonde“ Möbel. Die Erfolgsgeschichte des skandinavischen Designs hält seit über fünfzig Jahren an, selbst in den USA gelten Möbel und Gebrauchsgegenstände aus Schweden, Norwegen oder Dänemark bis heute als Ausdruck des Fortschritts. 250 Exponate bietet die vom Nordischen Ministerrat initiierte Ausstellung auf, die von Berlin aus auf internationale Wanderschaft gehen wird. Eine Gliederung nach den fünf Teilnehmerländern – zu den bereits genannten kommen Finnland und Island hinzu – vermeidend, untermauern die Kuratoren ihre Ausstellung mit sechs philosophischen Kriterien, die Italo Calvino für das neue Jahrtausend vorschlug: Leichtigkeit und Schnelligkeit, Genauigkeit und Wiedererkennbarkeit, Vielschichtigkeit und Konsequenz.

Poetische Leichtigkeit strahlt das hauchzart gestrickte Hochzeitskleid der Norwegerin Merete Taule aus, ebenso ein minimalistisches Filzsofa des Finnen Ilkka Suppanen, das wie ein fliegender Teppich anmutet. „Rolling Stones“ heißen die multifunktionalen, bunten Rollcontainer des isländischen Designerteams Gunasdottir/Chekerdjan, die Transportschnelligkeit gewährleisten. Einleuchtend praktisch sind der Staubsauger, der wie ein Rucksack getragen wird, oder die superlange Gartenschere, die die Hebelgesetze wörtlich nimmt. Vom Kinderwagen, der Treppen mühelos bezwingen kann, ganz zu schweigen. Die Form folgt einer demokratischen, ergonomisch durchdachten Produktgestaltung. Aus den Fünfzigerjahren, dem goldenen Zeitalter des skandinavischen Designs, werden die glorreichen Vereinfacher der Nachkriegsmoderne gezeigt: Verner Pantons Freischwinger aus Plastik, Arne Jacobsons eiförmiger Armlehnsessel, Kaj Francks sachlich-schlichtes „Kilta“-Geschirr (unser rechtes Foto).

In ihrem letzten Teil erweitert sich die Ausstellung zum Experimentierlabor. Schwer zu sagen, worüber man mehr staunt: über die überraschenden Materialeffekte (Keramiknudeln als Wandbespannung) oder die ausgefeilten Finessen bei Schmuck (Karottenbrosche) und Mode (Krawattenkleid). Was bleibt, ist die Lust auf Veränderung im Sinne Calvinos, denn „jedes Leben ist eine Musterkollektion von Stilen, worin alles jederzeit auf jede mögliche Weise neu gemischt und geordnet werden kann.“ – Unser linkes Bild zeigt den Ausziehtisch „Cinal“, den der Däne Morten Brorsen 2002 entworfen hat.

Kunstgewerbemusem, Kulturforum, bis 29. Februar. Di–Fr 10–18, Sa/So 11–18 Uhr. Informationen unter www.scandesign.org

Petra Schröck

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