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Kultur: Fluch der Pyramide

The Dark Side of the Moon: Roger Waters spielt in Berlin ein Pink-Floyd-Album nach

Blau pulsierendes Licht, majestätisch anschwellendes Synthezisergeknatter. Blitze blitzen, Farbblasen und Pop-Art-

bunte Spiralen schieben sich übereinander, ein optisches Hochgeschwindigkeitsgewitter wie im Lichttunnel von Stanley Kubricks Film „2001“. Und dann, in Dolby Surround die Köpfe der Hörer umkreisend, das Klackern der Münzen und Klingeln der Kassen, aus dem sich der scheppernde Rhythmus des Basses und das zornige Fauchen der Wah-Wah-verzerrten Leadgitarre erhebt. Roger Waters geht zwei, drei Schritte bis zum Mikrofonständer, legt den Kopf in den Nacken und singt: „Money, get away / Get a good job with more pay and you’re O.K./ Money it’s a gas.“

„Money“ ist, natürlich, der psychedelische Höhepunkt von Waters’ Auftritt in der Berliner Wuhlheide, der einzigen deutschen Station seiner „Dark Side Of The Moon“-Tour. Das gleichnamige Album von Waters ehemaliger Band Pink Floyd stammt aus dem Jahr 1973, einer Zeit, in der die Haare länger waren und „Money“ als kapitalismuskritischer Protestsong verstanden werden musste. Inzwischen kostet ein Ticket für das Konzert in der vierfünftelvollen Freiluftarena 63 Euro, und auf der Leinwand im Bühnenhintergrund dreht sich zum Intro von „Money“ eine Schallplatte mit einer Pyramide auf dem Etikett, dem Cover-Logo von „Dark Side Of The Moon“. Ein selbstironischer Hinweis auf den Erfolg des berühmtesten aller Pink-Floyd-Alben, von dem bislang 23 Millionen Exemplare verkauft wurden. „Money it’s a hit / Don’t give me that do goody bullshit.“

Die Dramaturgie des Abends gleicht der konzertanten Aufführung eines klassischen Großkunstwerkes. Auf die achtzigminütige Ouvertüre, in der Waters Pink-Floyd-Stücke und Titel seiner fünf Soloalben mischt, folgt eine zwanzigminütige Pause. Danach das knapp sechzigminütige Hauptspektakel: alle neun Titel von „Dark Side Of The Moon“, gespielt in der exakten Reihenfolge der Platte, vom verhalten einsetzenden Herzschlagpochen von „Speak To Me“ bis zum dröhnend aushallenden Finale von „Eclipse“. „Es ist ein Konzeptalbum über den Menschen und das menschliche Leben. Ich sehe die Dinge noch heute so wie damals“, hat Waters in einem Interview gesagt. Mit seinen ehemaligen Bandkollegen ist der 62-jährige Bassist, trotz der kurzfristigen Pink-Floyd-Reunion beim Londoner Live-8-Benefit im letzten Jahr, noch immer über Kreuz. Auf den Tourplakaten lässt er sich als „The Creative Genius Of Pink Floyd“ feiern. Als seien Syd Barrett, der in die Drogen und den Wahn gedriftete Sänger und Gitarrist, und David Gilmour, Nick Mason und Richard Wright bloß unkreative, ungeniale Handlager gewesen.

Roger Waters zelebriert seine eigene Bedeutsamkeit, das wirkt peinlich und auch ein bisschen traurig. Er hat eine siebenköpfige, technisch brillante Begleitband mitgebracht, aus der der Gitarrist Dave Kilminster herausragt. Zu den drei Backgroundsängerinnen gehört die britische Soul-Queen P.P. Arnold, für ihr Solo in „The Great Gig In The Sky“, ein minutenlanges Seufzen, Kieksen, Stöhnen, wird sie heftig bejubelt. Aber die Band, die da ein Pink-Floyd-Album Note für Note nachspielt, ist eben nicht Pink Floyd, sondern bloß eine bessere Pink-Floyd-Coverband. Der Kult um ein Originalkunstwerk lässt sich streng genommen nur mit den Originalgenies feiern. Roger Waters spaziert mit seinem Bass über die Bühne, winkt, animiert die Fans zum Mitsingen und lächelt linkisch. Wie ein Rockstar sieht er nicht aus, eher wie ein netter, in Ehren ergrauter Musiklehrer.

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