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Kultur: Formale Strenge prägt die Geburtstagsausstellung

Eigentlich stimmt der Name nicht: Neu ist die Galerie NEU nach fünfjährigem Bestehen wohl kaum noch zu nennen. Neuigkeiten als Programm, das stimmt auch nicht so recht, wenn man die aktuelle Ausstellung besucht.

Eigentlich stimmt der Name nicht: Neu ist die Galerie NEU nach fünfjährigem Bestehen wohl kaum noch zu nennen. Neuigkeiten als Programm, das stimmt auch nicht so recht, wenn man die aktuelle Ausstellung besucht. Die Jubiläumsausstellung mit Alan Charlton und IMI Giese zeigt Künstler einer Generation, die noch in den vierziger Jahren geboren wurden. Giese starb bereits 1972, der Engländer Charlton ist konstant seit den frühen Siebzigern im Geschäft.

Ausgesucht haben die beiden Galeristen von NEU, Thilo Wermke und Alexander Schröder, die beiden Minimalisten wegen ihres "feierlichen Auftritts". Die drei grauen "Quader" von Giese (240 000 Mark) und das ebenfalls grau-monochrome, über Eck gehängte Bilderpaar (62 000 Mark) von Charlton, geben so etwas wie eine Visitenkarte für die Galerie ab. Was die Galeristen an diesem grauen Minimalismus so schätzen, ist weniger der stille Ernst einer klaren Formensprache, als vielmehr das stilistische Statement, die Haltung von "Ruhe, Gelassenheit und Eleganz", die sie darin erkennen.

Offenbar erstrebenswerte Eigenschaften, wenn man bedenkt, daß Wermke und Schröder innerhalb von fünf Jahren von Studenten zu renommierten Galeristen geworden sind. Wer sehen will, was das aufregende junge Berlin in Sachen Kunst zu bieten hat, darf an dem zu einem white cube umgebauten ehemaligen Pferdestall an der Philippstraße nicht vorbeigehen. Der im letzten Jahr bezogene Galerieraum etwas abseits des Epizentrum des Kunstbooms in der Auguststraße ist mit Bedacht gewählt. Eigenständlichkeit galt den beiden Galeristen immer schon als wichtiges Qualitätskriterium. Auch schon als die beiden Ende 1994 begannen und in der Auguststraße einen Laden mieteten, um hier "selber etwas zu machen". An Selbstbewußtsein hat es ihnen damals offenbar nicht gefehlt. Denn der Mitte der neunziger Jahre noch kaum mit Galerien besiedelten Gegend bescheinigten sie "mangelndes Weltniveau". Mit viel Enthusiasmus und Kontakten von Schröder, damals an der Hochschule der Künste, begannen die beiden, Ausstellungen zu zeigen. "Wir waren eine Lücke", sagen die beiden heute. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und mit einer Haltung die auf Ismen verzichtete und auf individuelle Positionen setzte. Daniel Pflumm oder Sean Snyder wurden von NEU entdeckt. Künstler, mit 25 bis 30 Jahren im gleichen Alter wie die Gelegenheitsgaleristen, die sozusagen direkt von der Kunsthochschule kamen. Die Neunziger waren Gründerzeit: Mit 140 Mark im Monat konnte man in der Auguststraße eine Galerie aufmachen und Aufmerksamkeit erregen. 1996 testeten Schröder/Wermke ihr Programm auf Messen in New York und Basel. Und siehe da: Die Verkäufe waren "sehr erfolgreich" und auch die Aufmerksamkeit bei Kuratoren und Galeristen stellte sich ein. Der Entschluß ins Profilager zu wechseln stand fest.

Treffpunkt und Infopool

NEU bezogen noch im gleichen Jahr Räume in der Charitéstraße, machten Programm, etwa mit Monica Bonvicini, Manfred Pernice, Andreas Slominski, übten sich in Selbstausbeutung, hatte aber im übrigen nie Schulden. Der Druck Geld verdienen zu müssen, scheint den beiden eher gefallen zu haben. "Konkurrenz ist belebend", behaupten sie auch heute noch. Die Galerie entwickelte sich zum Treffpunkt und Infopool.

Das ist wahrscheinlich das Geheimnis des Erfolgs von NEU: Mit ihren Künstlern gelang es den Galeristen, Relevanz zu behaupten. Der Input in den Pool stimmte also, folglich stiegen auch Kritiker, Institutionen und Käufer darauf ein. NEU wurde zum Markenzeichen. Kein Wunder, wenn beim Umzug in die Philippstraße ein von Daniel Pflumm entworfenen "NEU"-Logo aufs Dach gesetzt wurde, wie bei einer Tankstelle. Zum Establishment will man deshalb aber noch lange nicht gehören. Wer sich programmatisch NEU nennt, setzt auf NEU-bewertung, auf Kontextverschiebung auch bei Leuten wie Giese und Charlton.

IMI Giese, Kooperationspartner von IMI Knoebel und wie er einst Student in der Klasse Beuys, ist in letzter Zeit als Teil der Szene Düsseldorf wiederentdeckt worden. Seine 1968 entstandenen drei Quader mit ihren abgerundeten Ecken haben viel Zeitkolorit, sehen die wulstigen Teile doch aus wie übriggebliebene Sitzelemente vom U-Bahnhof Fehrbelliner Platz. Giese spielt hier mit denkbar geringem Vokabular die formalen Möglichkeiten von Ecke und Kante durch. Mit drei Quadern und drei verschieden großen Eckquerschnitten ist das Exerzitium beendet, die Aussage abgeschlossen, hat die Arbeit sich gerundet. Mit ähnlich reduzierten Mitteln erreichen die beiden Monochromien von Charlton den gleichen Effekt wie ein guter grauer Anzug: Seriosität, Understatement und zeitlose Eleganz. So will NEU derzeit gesehen werden. Und der graue Anzug steht ihnen nicht schlecht.Galerie NEU, Philippstraße 13, bis 27. Mai; Dienstag bis Sonnabend 14-18 Uhr.

Ronald Berg

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