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Der Berliner Historiker Götz Aly

© Foto: Imago

Frage des Tages zur Art Week: Was erwarten Sie vom Humboldt Forum?

Bei der Eröffnung der Ostspange sah sich das Humboldt Forum Vorwürfen ausgesetzt. Die Ausstellungen des Ethnologischen und Asiatischen Museums seien nicht gut kuratiert.

Von Götz Aly

Es steht zu befürchten, dass die erweiterte ethnologische Ausstellung in der Ostspange des Humboldt Forums nicht besser wird als der 2021 eröffnete erste Teil. Diesen habe ich mehrfach besucht, auch zusammen mit erfahrenen Museumsleuten. Alle finden die Konzeption schlecht.

Da werden zum Beispiel holzgeschnitzte Krokodile aus unterschiedlichen Kulturen unkommentiert aufgestapelt, ebenso Tanzmasken und Alltagsgerätschaften. Das ist so, als würden wir italienische und deutsche Plastiken des 16. Jahrhunderts in einen Glaskasten stecken und dazu sagen: Schaut Euch mal an, was da alles in Mitteleuropa so geschnitzt wurde. Eine solche Art der Präsentation hat etwas Verächtliches, kolonialistisch Herablassendes; zudem ignoriert sie museumspädagogische und wissenschaftliche Standards.

Im Fall des berühmten Lufboots aus der Südsee wird nicht erklärt, mit welcher Raffinesse es gebaut wurde, was die Malereien bedeuteten. Die nautischen Fähigkeiten dieser frühen Seeleute waren enorm. Es böte sich an, diesen Zweimaster mit den vergleichsweise primitiven, mit vielen Rudern und einem Treibsegel fortbewegten Schiffen der Phönizier, Römer oder Wikinger zu vergleichen. Die brauchten allesamt Ruderknechte, konnten – anders als die Südseeboote – eben nicht gegen den Wind kreuzen. Das Lufboot ist das letzte noch erhaltene Original. Ein Weltkulturerbe! Von all dem erfährt man im Humboldt Forum nichts.

Deprimierend sind die Defizite der Ausstellung in puncto Kolonialismus. Betritt man das unangenehm beleuchtete bunkerartige Gelass des Lufboots, erfährt man sogleich, dass die Amerikaner auf den Marshallinseln zwölf Jahre lang Atomwaffen getestet haben und Australien auf der papuanischen Insel Manus ein Internierungslager für Flüchtlinge unterhalten hat.

Beide Inseln gehörten einst zum deutschen Kolonialreich, beide waren von sogenannten Strafexpeditionen betroffen, ebenso und besonders grausam die Insel Luf. Aber davon kein Wort, umso mehr von den späteren Missetaten anderer. Wie konnten Stiftungspräsident Hermann Parzinger und der Direktor des Ethnologischen Museums Lars-Christian Koch solche Fehlleistungen durchgehen lassen?

Es freut mich, dass für die Benin-Bronzen ein Rückgabevertrag zustande gekommen ist, und es ist gut, dass ein Teil der Bronzen weiter in Berlin ausgestellt werden kann. Dabei sollte um der historischen Wahrheit willen gesagt werden, dass sich die Könige von Benin – am transatlantischen Sklavenhandel kräftig mitwirkend – bereicherten.

Aber daraus ergibt sich kein Recht, die Rückgabe von Kulturgütern zu verweigern. Würde man einen solchen Maßstab akzeptieren, dann wären die Museen, Kirchen und privaten Sammlungen hierzulande infolge der Menschheitsverbrechen Hitlerdeutschlands mit Recht und für immer von allen wertvollen Kulturgütern entblößt. (Aufgezeichnet von Nicola Kuhn)

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