zum Hauptinhalt
Charlotte Roche auf der Buchmesse in Frankfurt.

© dpa

Frankfurter Buchmesse: Der Hippie und das Echtheitsding

Wie Prominente ihre Bücher vorstellen: Charlotte Roche setzt auf kalkulierte Nahbarkeit, während Helge Schneider Hinweise auf die Frage gibt, ob er auch Helge Schneider sei.

Von Gregor Dotzauer

Wohin heute? Zu „Wolke Hegenbarth strickt“ (Christophorus Verlag)? Zu Thomas Gottschalk und „Herbstblond“? (Heyne) Zur allmittäglichen „Hot Soup for Hot Spotters“? Oder doch noch einmal zu Udo di Fabio, dem mitreißend eloquenten Verfassungsrechtler, der mit „Schwankender Westen“ (C.H. Beck) einen nachdenkenswerten Essay über ein bedrohtes Gesellschaftsmodell geschrieben hat? Erst kürzlich hatte er ihn im Gespräch mit Harald Schmidt in Berlin vorgestellt, wobei es dessen hervorstechendste Eigenschaft war, keine einzige Frage ohne Pointen-Salto stellen zu können. Pathologischer Entertainer trifft schlagfertigen Intellektuellen: Der hohe Unterhaltungswert machte den Mangel an Moderatorensubstanz nicht wett. Man geht zu solchen Veranstaltungen dennoch immer wieder, um herauszufinden, wo Rolle und Person auseinandertreten, ob sich ein winziger Spalt öffnet, der so etwas wie einen tieferen Blick auf die Figur erlaubt, die Kameras und Bühnenlicht präsentieren. Der eine befindet sich vielleicht in tiefer Übereinstimmung mit seiner öffentlichen Erscheinung, die andere ist als Mensch zu ihrem Opfer geworden. Jedenfalls ist Gottschalk ohne sichtbare Probleme durchgängig Gottschalk. Hegenbarth ist Hegenbarth.

Ist Helge Schneider auch Helge Schneider? Am „FAZ“- Stand spricht er über seinen jüngsten Geschichtenband „Orang Utan Klaus“ (Kiepenheuer & Witsch), der etwas anderes verspricht, als es die Titelerzählung hält, insofern es sich bei Klaus um ein Kätzchen handelt. Wie er so daherflachst, ein ergrauter Hippie von nunmehr sechzig Jahren, der nichts von seinem kauzigen Witz verloren hat, sitzt genau auf seinem Platz doch zugleich ein würdevoll entspannter Herr, der sich in seinem Schneidertum beobachtet. Er lässt die Rampensau nur so weit von der Leine, dass er sie auch wieder einfangen kann. Dieser Herr weiß über seine öffentliche Wahrnehmung und wie er sie angestachelt hat, genau Bescheid. Und er gesteht, dass ihm an manchen Tagen das Spießrutenlaufen durch Heere von Selfie-Jägern wunderlich vorkomme. Er selbst habe so viel Aufdringlichkeit selbst bei Leuten, die er bewundere, nie besessen. An wen denken Sie so, fragt der Moderator. Zum Beispiel an Sonny Rollins, den großen Tenorsaxofonisten, antwortet Schneider.

Charlotte Roche am „Spiegel“-Stand dagegen zieht mal wieder ihr Echtheitsding durch. Kein „Mädchen für alles“ (Piper), wie ihr Roman heißt, sondern ein Mädchen für alle. Kalkulierte Nahbarkeit, aufgekratzte Bühnenspontaneität bei Antworten, mit denen sie sich niemals selbst zu überraschen wagen würde. Super Performance – wenn Roche nicht diesen Dauerquäkton hätte. Vielleicht gibt es ja auch Schönheitsoperationen für Stimmen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false