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Kultur: Frei in der Fremde

FILM

Wenn Haled auf dem Markt Gemüse und Obst kauft, achtet er penibel darauf, dass es nicht aus Israel kommt. Er lebt als palästinensischer Flüchtling in London, fern seiner Heimat im Gazastreifen. Dort, wo das Haus seiner Familie stand, fließen heute die städtischen Abwasser der 1948 gegründeten israelischen Stadt. „Wir werden niemals vergessen und vergeben“, sagt Haled. „Wir haben kein Geld, das wir vererben können, nur unsere Erinnerungen.“

Asher de Bentolila Tlalil lässt in seinem Dokumentarfilm Galoot Familie, Freunde, Bekannte erzählen (in Berlin im Kino Eiszeit, OmU). Alle leben im englischen Exil – die Palästinenser, weil sie vertrieben wurden, die Israelis als „refugees of choice“. Etwa der Jazzmusiker Gilad, der in England bleiben will, obwohl er sich nie als Brite fühlen wird. Distanz schärft den Blick – und London bietet, vielleicht, die Möglichkeit für ein friedlicheres Zusammenleben. Schließlich wohnt Haled, der Palästinenser, nur fünf Minuten von Tlalils Familie entfernt. Man isst und redet zusammen. Eine doppelte Diaspora: Schon der chassidische Rabbi Asher Elimalach schrieb im 18. Jahrhundert, in der Fremde könne sich der Gläubige freier von Bindungen spirituell entwickeln. Der Regisseur ist als Kommentator anwesend. Erst durch seine Reflektionen – er ist als marrokanischer Jude in den Fünfzigerjahren emigriert – wird das Spiel der sich gegenseitig bedingenden Selbst- und Fremdwahrnehmungen deutlich. Und plötzlich ist da Wärme, als Haled mit dem kleinen Sohn des Regisseurs tanzt. Im Exil.

Nikola Richter

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