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Kultur: Für den Abspann zwischendurch

BERLINALE-HOBBYKELLER In einer Wohlfühllandschaft des Filmhauses kommen gestresste Kinofans wieder zu Kräften

Körperlich anstrengend sind Kinobesuche nicht. Man muss nur ruhig im Sessel sitzen, die Lider offen halten, vielleicht ab und zu nach der Popcorntüte greifen. Trotzdem ist man hinterher erschöpft – vor allem, wenn man an einem Tag mehrere Berlinale-Filme sehen will.

Gut, dass es Meggie Schneiders „Hobbykeller“ gibt. Der steht nicht bei ihr zu Hause, sondern im Atrium des Filmhauses am Potsdamer Platz. Eine Wohlfühllandschaft aus Sesseln, Couchs und Teppichen, komplett im Stil der 70er Jahre gehalten. Mit pastellgrüner Blümchentapete, Schirmlampen, Fernsehtisch. Das Tolle an Schneiders Kunstinstallation: Sie soll nicht nur bewundert, sondern auch bewohnt werden. Und zwar von gestressten Berlinale-Besuchern.

126 Quadratmeter Teppich, 467 Kilogramm Möbel und genau 1001 Schrauben hat Schneider auf Einladung der Berlinale ins Atrium geschafft. Und dutzende Einrichtungsgegenstände und Accessoires, vom alten Philips-Fernseher bis zum selbstgehäkelten Kochlappen. Natürlich alles im Original und gebraucht, das sieht man den Gegenständen auch an. Einiges davon haben ihr Freunde geschenkt, anderes hat sie auf dem Flohmarkt gekauft. „Hobbykeller“ ist der Abschluss einer Trilogie: Vor zwei Jahren hatte Schneider Wohnzimmer eingerichtet, voriges Jahr dann Küchen. Das Konzept ist immer dasselbe. „Ich nehme einen privaten Raum und versetze ihn in einen öffentlichen. Und lasse ihn bewohnen.“ Dabei hat Schneider immer „eine typische Familie Müller im Kopf“, und wie die sich ihre Zimmer wohl einrichten würde. Allerdings setze sich manchmal ihr persönlicher Geschmack durch, „das lässt sich leider nicht verhindern“. Schneiders Konzept klingt simpel, die Umsetzung ist aber aufwändig. Weil es gerade auf die Details ankommt. Zum Beispiel darf der metallische Klapp-Notenständer nicht irgendwo im Raum, sondern nur hinten in der Ecke rumstehen. Weil den doch sowieso niemand benutzt, wer hat schon Lust, Blockflöte zu üben? „Das war der Horror meiner Kindheit“, sagt Alexandra Rinaschke. Die Kreuzbergerin ist zwar erst 22 und wurde von ihren Eltern in den frühen 90ern zum Instrumente- Üben genötigt, „aber ich kann mir schon vorstellen, dass es zwei Jahrzehnte früher genauso mies war“.

Manche Gäste wollen sich nicht so recht auf den Zeitsprung einlassen. Zum Beispiel Michael Lohnherr aus Moabit, der in der Fernsehecke auf der Couch sitzt und eine mitgebrachte Tageszeitung liest. Und das, obwohl doch direkt neben ihm ein Bücherregal steht – mit Romanen von Johannes Mario Simmel und dem „Großen Buch der Handarbeiten“. „Das ist alles nicht mein Fall“, sagt Lohnherr. Der 35-Jährige hält den „Hobbykeller“ zwar „für den besten Platz der ganzen Berlinale, um Zeit totzuschlagen und sich zu erholen“. Kindheitserinnerungen werden bei ihm aber nicht wach: „Bei meinen Eltern sah es nie so bunt aus wie hier. Die waren vielleicht zu konservativ.“

Der Hobbykeller im Atrium des Filmhauses, Potsdamer Str. 2, ist bis Sonntag täglich von 10 bis 24 Uhr geöffnet, Eintritt frei. Mehr Infos gibt’s im Internet unter www.hobbykeller.kulturserver-berlin.de

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