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Kultur: Galerie Blickensdorff: Die Berliner Künstlerin Yotta Kippe stellt aus

Was wird im Zeitalter der multimedialen Bilderinflation aus dem Porträt? Was wird aus dem menschlichen Abbild, mit dem wir uns über lange Zeit unserer göttlichen Abkunft vergewissert haben?

Was wird im Zeitalter der multimedialen Bilderinflation aus dem Porträt? Was wird aus dem menschlichen Abbild, mit dem wir uns über lange Zeit unserer göttlichen Abkunft vergewissert haben? Bilderverbot und Ikonenglauben, das scheint lange vergessen. Wo mittels Gentechnik die Mutation der organischen Bildvorlage zur Schimäre möglich erscheint, ist das bildnerische Gebären von Ungeheuern längst gängige Praxis. Nur kommen die artifiziellen Kreaturen nicht als schreckliche Monster und Aliens daher, sondern als vergötzte Beauty-Models, als makellos reine Oberflächen, die durch ihr unerreichbares Vorbild beständig zum Konsum von Mittelchen und Wässerchen anreizen. Was also wird aus dem Porträt im Angesicht der Konkurrenz aus der virtual reality? Yotta Kippe, 1971 geboren und seit 1998 Meisterschülerin von Dieter Appelt an der hiesigen Hochschule der Künste, hat die Aufforderung der werbetreibenden Industrie "Du bist, was Du kaufst" wörtlich genommen und das Thema Porträt zunächst über den Fetisch Ware visualisiert. In umfangreichen Tableaus liefern die eingescannten Gebrauchsartikel aus ihrem Badezimmer tatsächlich eine Art von Selbstporträt. Die Dinge charakterisieren in der "Generation Golf" ihre Benutzer.

In ihren neuesten Arbeiten führt Yotta Kipppe anschaulich vor, dass der Abbildcharakter des Bildes fragwürdig geworden ist: Zwar dient die Künstlerin den Gesichtern auf den Bildern stets selbst als Modell, allein, den eingescannten Fotos oder digitalen Aufnahmen ist am Computer der authentische Nimbus der alten Fotografie kräftig ausgetrieben worden. Da wird mit den Werkzeugen der Bildbearbeitung umgegangen wie mit Bleistift und Radiergummi. Heraus kommen oft nurmehr Schemen eines Gesichts, tief im Dunkeln verborgen oder im Nebel von Unschärfen versteckt.

Vor allem bei jenen auf Silberfolie gedruckten Porträts denkt man an das "Spieglein, Spieglein an der Wand" des Schneewitchens, aber Yotta Kippes Referenz war das Dornrößchen; jenes Mädchen, das in hundertjährigen Schlaf fällt, leblos, scheintot ist, wie das Wesen in ihren Bildern. Ihrem Antlitz hat Yotta Kippe mit schwarzen Löchern in den Pupillen das Leben ausgestanzt, sie hat die Gesichtshaut geglättet und verfärbt. Und sie reihte diese Bildmutationen in eine Fernsehwelt, in der Werbeclips, Reality-soap oder Nachrichtenbilder zu einer medialen Umwelt verschmelzen, bei der nicht mehr auszumachen ist, was real und was Fiktion ist. Stellvertretend für diese Medienumwelt, steht vis à vis der Porträts ein 217-teiliges Tableau von bunten TV-Bildern.

Was bleibt angesichts dieser Übermacht vom eigenen Bild? Einmaligkeit kann es inmitten der Myriaden von Bildern nicht mehr behaupten. Aufmerksamkeit erheischt es höchstens bis zum nächsten hype. Und an Echtheit oder Authentizität glaubt ohnehin niemand mehr. Wenn die Bilder ganz im Schein aufgehen, werden sie bei Yotta Kippe zum Sicherheitsnetz für die bodenlos-abgründige Ungewissheit gegenüber dem Sein von Mensch und Welt. Die Aufgabe des Abbildes zugunsten des ästhetischen Selbstentwurfes benennt sie in dem Bildtitel ihres künstlich geglätteten Porträts: "Angst vor Ernüchterung".

Ronald Berg

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