zum Hauptinhalt
Blick in die Schau von Frohne-Brinkmann, dessen PCs der Virus von jeder Information befreit hat.

© Galerie Noah Klink

Galerie Noah Klink: Rosa Rauschen

Was ein Virus vernichtet: Gerrit Frohne-Brinkmann erinnert in der Galerie Noah Klink an den Computerwurm „Iloveyou“.

„Brummen in Grau auf Rosarot“, so ähnlich könnte die Installation von Gerrit Frohne-Brinkmann heißen und würde Assoziationen zur abstrakten Malerei wecken, wobei das Brummen und Rauschen Rätsel aufgäbe. Tönende Malerei? Weit gefehlt! In dem mit rosarotem Teppich ausgelegten Raum der Galerie Noah Klink stehen acht graue Computer auf dem Boden, lose im Raum verteilt, und nichts als das Geräusch der kühlenden Ventilatoren ist zu hören. Kein Monitor weit und breit, der den Besuchern die inneren Rechenprozesse visualisierte. Die Installation trägt den Titel „I love you“ und benennt den als Liebesbrief getarnten Virus, der im Mai 2000 weltweit Computer lahm legte.

Von der Liebe zerfressen

Diesen Virus hat Gerrit Frohne-Brinkmann nun erneut auf seinen Rechnern installiert und damit alle darauf befindlichen Daten vernichtet. So ging es damals Millionen von Nutzern weltweit. Der als Liebesbrief getarnte Text besaß das übersehene oder auch nicht angezeigte Kürzel „vbs“ für den von Microsoft entwickelten Visual Basic Script, mit dem auf alle Schnittstellen zugegriffen werden kann. Sobald jemand das der Mail angehängte Dokument öffnete, um den vermeintlichen Liebesbrief zu lesen, verbreitet sich das Virus über alle Kontakte im Adressbuch, überschrieb sämtliche Dateien im PC und zerstörte deren Inhalte.

Das Risiko der Infizierung der gespeicherten Kontakte lässt uns heute unweigerlich an Covid-19 denken, doch Frohne-Brinkmann interessierte sich für das Virus ILOVEYOU bereits vor Corona. Gerade die diabolische Ambivalenz zwischen vermeintlicher Liebeserklärung und Zerstörung scheint vor der Hintergrund der Pandemie bedeutungsvoll aufgeladen: Liebe und Zuneigung, die für gewöhnlich nach Nähe und Berührung verlangen, fordern jetzt Distanz.

Filmreife Kulissen

Das Werk des 1990 in Norddeutschland geborenen Gerrit Frohne-Brinkmann, der bei Andreas Slominski und Ceal Floyer an der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg studierte, ist konzeptuell ausgerichtet und umfasst diverse Medien. Im letzten Jahr hat er in der Hamburger HafenCity im Untergrund in einer Tiefgarage mit dem riesigen Airbrush-Gemälde „Backdrop“ eine prähistorische Meereslandschaft als spielerischen Kontrast zu der glitzernd-gläsernen Designkulisse der Oberfläche installiert. Gerne lässt er Scheinwelten entstehen, entwirft filmkulissenreife Inszenierungen wie das kühle und glatte Wartezimmer von „Dr. Perversi“ in einer früheren Ausstellung bei Klink zum Thema plastische Chirurgie.

Für die Art Cologne lieh er sich Mumien

Zum Schaudern waren seine Mumien, die er 2016 aus einem Theaterfundus auslieh, um sie in einer – von der Kunstmesse preisgekrönten – Förderkoje der Art Cologne zu inszenieren. Wo eigentlich das Nonplusultra an neuer Kunst zu sehen sein soll, war Frohne-Brinkmann so frech und erinnerte mit seiner Arbeit eher an eine pompejische Ära. Zauberei, Humor, Fake und performative Drastik gehören zu Frohne-Brinkmanns Arsenal gleichermaßen. Im Vergleich dazu wirkt seine aktuelle Installation eher minimalistisch. Im vorderen Seitenraum der Galerie mit ebenfalls rosarotem Teppich wird die Edition des Künstlers für die Ausstellung gezeigt. Ein zum Bild generierter Screenshot (Inkjet Print, 350 €) mit der glücksverheißenden Mailnachricht: „kindly check the attatched ILOVELETTER. LOVE LETTER FOR YOU coming from me.“

Galerist Noah Klink, der neben einem Praktikum bei einer New Yorker Galerie ein Studium der Betriebswirtschaft absolvierte, besuchte während dieser Zeit kunstgeschichtliche Seminare. Das Programm seiner 2017 gegründeten Galerie, zu deren Künstler:innen von Beginn an Taslima Ahmed, Manuel Gnam und Gerrit Frohne-Brinkmann zählen, hält er mit nur fünf künstlerischen Positionen absichtlich in überschaubaren Dimensionen, um sich diesen besser widmen zu können.
Galerie Noah Klink, Kulmer Str. 17; bis 27. Juni Do – Sa 12– 18 Uhr nach den geltenden Corona-Regeln zu besuchen

Matthias Reichelt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false