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Kultur: Gebrochene Herzen am Ende herrlicher Alleen - Die Lausitz erlebt Shakespeare und Purcell

Julia hält ihren toten Romeo in den Armen. Sie liegt auf einem blutroten Bett und singt "When I am laid in earth", eine Arie aus Purcells Oper "Dido und Aeneas".

Julia hält ihren toten Romeo in den Armen. Sie liegt auf einem blutroten Bett und singt "When I am laid in earth", eine Arie aus Purcells Oper "Dido und Aeneas". Ihr letztes Lied, bevor auch sie stirbt. William Shakespeare und Henry Purcell in einer Aufführung. Die Tragödie über die Liebenden, die an der Feindschaft zwischen ihren Familien zugrunde gehen, durchwoben mit der Oper über den trojanischen Helden Dido, der zerrissen ist zwischen seiner Liebe zu der kathargischen Königin Dido und dem göttlichen Auftrag, auf diese Liebe zu verzichten. Wie Shakespeares Julia stirbt auch Purcells Dido letztendlich an gebrochenem Herzen.

Die Schlussszene der Aufführung am Freitagabend auf Gut Geisendorf ist die ergreifendste der ganzen Inszenierung und steht für einen gelungenen Operntheaterabend. Es muss schon ein besonderes Ereignis sein, das eine zweistündige Fahrt von Berlin in die Lausitz und am selben Abend wieder zurück lohnt: Zum Beispiel dieser Abend im Rahmen des Lausitzer Opernsommers: Musik und Schauspiel vor der schönen Kulisse des Herrenhauses unter sternklarem Himmel. Vor und nach der Aufführung gibt es für die Zuschauer der fast ausverkauften Veranstaltung Sekt und Wein.

Was 1992 als "Geisendorfer Musiksommer" begann, ist in seinem achten Jahr ein respektables kleines Festival geworden. Pascual Jordßn, heute künstlerischer Leiter der Veranstaltung, rief sie ins Leben. Die dahinterstehende Idee: in der Zeit der Theaterferien, sozusagen als Kontrapunkt zu den Veranstaltungen auf Schloss Rheinsberg im Norden Brandenburgs, auch ein Kulturereignis im Süden zu schaffen. Dabei hatte er den Anspruch, mit den Aufführungen hohe Ansprüche zu erfüllen und mit jungen Künstlern einen Kultur-Treffpunkt zu schaffen.

William Shakespeare: "Romeo und Julia" mit Szenen aus Henry Purcell: Dido & Aeneas, so der Titel der Aufführung, stellt hohe Ansprüche - an die Opernsänger, die zugleich gute Schauspieler sein müssen, an den Regisseur (Pascal Jordán), der die Musikszenen dramaturgisch einflechten muss, ohne dass dabei die Spannung abfällt, an die Musiker, die, von langen Schauspielszenen unterbrochen, den Faden immer wieder aufnehmen müssen und an die Zuschauer, die Sitzfleisch für zweieinhalb Stunden ohne Pause brauchen.

Der freie Raum zwischen Zuschauertribühne und Fassade des Herrenhauses bot dabei eine erstaunlich gute Akustik. Auch leise gesprochene Worte sind gut zu verstehen, und auch die Feinheiten der Barockmusik kommen gut heraus. Die größtenteils sehr jungen Schauspieler bieten eine frische, nicht überzogene Darstellung. Besondere Erwähnung verdienen sicher Judith Kamphues als "Julia", die zwar bisweilen etwas gehetzt wirkte, aber dafür mit einer großartigen gesanglichen Leistung entschädigt, und Olaf von Bargen, der einen frischen, jungenhaft-naiven Romeo bietet. Herrlich dekadent kommen die Eltern der Julia heraus: Gräfin Capulet in der Darstellung von Hanna Wollschläger geht die Zigarette nicht aus, und sie hat meistens ein Sektglas in der Hand, und Capulet, gespielt von Detlef Gieß, erscheint als das Gefühlsmonster, für den seine Tochter eher ein Gegenstand ist.

Nicht zuletzt die modern-alltägliche Kleidung der Personen - sehr trendy: Mercutio und seine Jungs in Militär-Klamotten - und eine Bar mit Fernseher als Requisite holen die Inszenierung in unsere Zeit. Auch manche Textstelle stammt eher aus unserem Sprachgebrauch als aus der Feder Shakespeares. Und der Moderator erscheint als sensationshungrige Journalistin, die in bester Paparazzi-Manier Romeo und Julia beim verbotenen Tête-à-Tête ablichtet - und am Ende das moralische Urteil spricht.

Die Aufführung ist frisch und macht Spaß. Die Musik vertieft die Handlung und lässt die Figuren miteinander verschwimmen. Und die Kulisse des Herrenhauses und die Kostüme bieten etwas für das Auge. Wer keine Angst vor Nachtfaltern und Mücken hat und sich zweieinhalb Stunden ohne Pause zumuten kann, für den lohnt sich die Anreise - die zum Teil über herrliche Alleen führt.

Raoul Fischer

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