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Kultur: Gedanken-Gänge

„Jüdischer Widerstand“ – eine Ausstellung in Berlin

„Lasst uns nicht wie Schafe zur Schlachtbank gehen!“ Die weißhaarige Dame beugt sich über den vergilbten Zettel. Die karge Beleuchtung erschwert das Lesen. Wort für Wort übersetzt sie ihrer Begleiterin das Jiddische ins Deutsche. Ein Testament, das in Erwartung der Deportation verfasst wurde: Es fand sich in einem der Archive, die von konspirativen Gruppen in den Ghettos angelegt wurden, um der Welt Kenntnis von der Ermordung der europäischen Juden zu geben.

Die von der internationalen Organisation B’nai B’rith organisierte Ausstellung in Berlins Deutschem Historischen Museum gibt Zeugnis von jenem verborgenen Kampf, den die Juden gegen ihre Vernichtung führten. Ein Kampf, der bis heute verdeckt wird vom Bild der Juden als Opfer. Die Schau inszeniert ihr Thema als Gedanken-Gang, der durch metaphorisch gestaltete Räume führt. Da ist das offizielle Heldenbild der gegen Hitler kämpfenden Juden: jüdische Brigaden in den alliierten Armeen – und Prominente wie der Historiker Marc Bloch von der Widerstandsorganisation Franc-Tireur oder Leopold Trepper von der Roten Kapelle.

Durch eine graue Mauer gelangt man in rohe Holzverschläge. Dias, Fotos und Faksimiles illustrieren, wie das kulturelle Leben im Ghetto mit geheimen Gottesdiensten, Krankenhäusern und Talmud-Schulen aufrechterhalten wurde. Ein schwarzer Zylinder symbolisiert die Geheimhaltung der „Endlösung“. Auf seiner Außenseite die Tarnung durch die Nazis: Die Presse sprach von „Umsiedlung“, die Deportierten mussten Beruhigungs-Postkarten verschicken. Im Inneren des Zylinders finden sich verzweifelte Hilferufe in Form von Kassibern: „Wir sind im Zug nach Oszwiecim. Schreibt nach Vittel, dass wir in wenigen Tagen tot sind!“ Daneben Berichte über Massenerschießungen und Vergasungen, mit denen Flüchtlinge ab August 1941 in der Untergrundpresse und bei den Alliierten Alarm schlugen.

Ein Labyrinth erzählt von Rettungs- und Fluchtunternehmen. Plakate mit Strafandrohungen und Denunziationsaufrufen, Fotos von Verstecken, gefälschten Papieren, Videos, in denen Überlebende von Rettungsaktionen berichten. Videos und Toneinspielungen berichten von den quälenden Debatten, die dem bewaffneten Kampf vorausgingen. 40000 Juden gingen schließlich zu den Partisanen in die Wälder. Nicht nur in Warschau, auch in vielen anderen Ghettos, in Kleck, Nieswiez, Tuczyn oder Marcikance kam es zu Aufständen. Gerwin Klinger

DHM, Kronprinzenpalais, tägl. 10 bis 18 Uhr, außer mittwochs, Do bis 22 Uhr. Eintritt frei.

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