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Kultur: Gedankenspiele in der CDU um die Nachfolge Radunskis lösen Bedenken aus

Mit Mühe und Not hat die Große Koalition in den vergangenen Jahren ihre Ziele in der Hochschul- und Forschungspolitik erreicht. Nachdem den Berliner Hochschulen auferlegt worden war, bis zum Jahr 2003 etwa 900 Millionen Mark zu sparen, hat es eines enormen Zeitaufwandes bedurft, um wenigstens ein Minimum an Sicherheit zurückzugewinnen.

Mit Mühe und Not hat die Große Koalition in den vergangenen Jahren ihre Ziele in der Hochschul- und Forschungspolitik erreicht. Nachdem den Berliner Hochschulen auferlegt worden war, bis zum Jahr 2003 etwa 900 Millionen Mark zu sparen, hat es eines enormen Zeitaufwandes bedurft, um wenigstens ein Minimum an Sicherheit zurückzugewinnen. Die Konzentration auf den Ausbau von Adlershof zu einem Wissenschafts- und Technologiepark und die Sanierung der Charité in Mitte waren richtige Entscheidungen in Zeiten der Not. Aber danach gingen Jahre ins Land, bis die gebetsmühlenartig wiederholte Garantie für 85 000 Studienplätze in Berlin auch finanziell in glaubwürdiger Weise gestützt wurde.

Nun sind in der neuen Legislaturperiode die Ergebnisse der vorangegangenen Regierungszeit weiter ins Positive zu heben. Da kommt alles darauf an, dass das Wissenschaftsressort in die richtigen Hände eines qualifizierten Senators und Staatssekretärs kommt - genauso wichtig ist, dass auch der Ressortzuschnitt gelingt. Die Wiederholung der alten Lösung, zwei Mammmutbereiche wie Wissenschaft, Hochschule und Kultur zusammenzuführen, endet zwangsläufig in einer Überforderung. Der Senator kann sich bei einer solchen Belastung intensiv nur um einen Bereich kümmern und muss den anderen seinem Staatssekretär überlassen. Auf der parlamentarischen Ebene führte diese Kombination zu Irritationen - nicht im wichtigen Hauptausschuss, aber im zuständigen Wissenschafts- und Kulturausschuss. Dort zeigte sich immer wieder: Die Abgeordneten, die sich für die Kultur interessierten, empfanden die Zeit, in der sie Themen der Wissenschaft zuhören mussten, als Belämmerung, vice versa ertrugen die Abgeordneten aus der Wissenschaft nur schwer die Langatmigkeit eitler Kulturdiskussionen. Die Tagesordnungen standen daher ständig im Zeichen von Nervosität und Ungeduld.

Ähnliche Probleme würde eine Zusammenlegung von Wissenschaft, Hochschule und Schule mit sich bringen. In den Schulen ist in Berlin viel nachzuholen - die grosse Schulreform steht in dieser Legislaturperiode auf der Tagesordnung. Ein Senator wäre mit der Führung eines solchen Riesenbereichs überfordert. Wieder müsste es eine Arbeitsteilung zwischen Senator und Staatssekretär geben.

Die Vorstellung in der CDU, dem möglichen sozialdemokratischen Koalitionspartner die Verantwortung für Schule und Hochschule zu übertragen, wäre auch keine Lösung. Denn sie würde zu einer Abtrennung der Forschung führen. In der Sicht führender Universitätsrepräsentanten wäre das die schlechteste Variante. Die CDU will nämlich auf keinen Fall die Forschung als Zukunftsaufgabe aus der Hand geben und erwägt, daher die Forschung mit der Technologie und Wirtschaft zu verbinden.

TU-Präsident Hans-Jürgen Ewers kommentiert: "Die Trennung von Hochschulen und Forschung wäre eine mittlere Katastrophe. Denn dadurch wird die Einheit von Forschung und Lehre zerrissen." Der erste Vizepräsident Kurt Kutzler ergänzt: "Schon im jetzigen Verständnis des amtierenden Staatssekretärs wurde Forschung zu stark auf den Technologiepark Adlershof bezogen. Wissenschaft kann man nicht von der Forschung trennen, denn Wissenschaft und Lehre werden von der Forschung bestimmt." Für die TU-Repräsentanten wäre daher ein eigenständiges Ressort für Wissenschaft, Hochschule und Forschung immer noch die beste Lösung, andererseits könnte das Hereinholen der Technologie in ein solches Ressort sinnvoll sein.

Der Präsident der Freien Universität, Peter Gaehtgens, erklärt: "Die Trennung von Wissenschaft und Forschung hat überhaupt keinen Sinn. Wer die Forschung der Wirtschaft zuordnet, denkt nur an einen Sektor der Forschung - jene Forschung, die der Technologie nutzt. Der ganze Bereich der Forschung in den Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften fällt dann unter den Tisch. Wenn schon der Regierende Bürgermeister ständig betont, dass Kultur und Wissenschaft die beiden Leuchttürme in Berlin sind, dann müssen Kultur und Wissenschaft auch im Senat prominent und mit Nachdruck vertreten sein."

Sollte wegen der gebotenen Reduzierung der Senatsressorts wieder nur eine Kombinationslösung zustande kommen, dann sei ein erneutes Zusammengehen von Kultur und Wissenschaft anderen Lösungen vorzuziehen, "selbst wenn es dann dazu kommen sollte, dass es wieder einen Senator mit dem Staatssekretär als heimlichen Senator geben wird", gibt Gaehtgens zu bedenken.

Noch einmal sollte sich die neue Regierung nicht solche Verwirrspiele wie die alte leisten. Deswegen ist ein kritischer Rückblick angebracht. Dass jahrelang die neue Zielgrösse von 85 000 Studienplätzen lediglich auf dem Papier stand, während unter den enormen Belastungen durch die ständig wachsenden Pensionen und Sparauflagen der Generationenvertrag umgekehrt zu werden drohte, hat der Glaubwürdigkeit geschadet. Studienplätze für die Jugend drohten geopfert zu werden, nur damit die Altersversorgung der Wissenschaftler durch die Hochschulen gesichert werden konnte. Zeitweilig erschienen 70 000 Studienplätze wahrscheinlicher als 85 000. Erst im Mai dieses Jahres konnte durch eine Einigung zwischen Wissenschaftssenator Peter Radunski und der Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing eine Erhöhung der Finanzausstattung der Hochschulen für die Jahre 2001 und 2002 erreicht werden. Seitdem sind die 85 00 Studienplätze gesichert.

Es bedurfte des wiederholten Drucks durch Universitätspräsidenten, Presse und den Wissenschaftsrat, um diesem Ziel näher zu kommen. Ausschlaggebend war Einfluss des Wissenschaftsrats, denn vom Votum des Wissenschaftsrates hängen Bundesgelder ab. Er knüpfte den Ausbau des Technologieparks in Adlershof an die Bedingung einer Garantie von 85 000 Studienplätzen. Allen Billiglösungen beugte der Wissenschaftsrat vor: Er verlangte, dass besonders die Studienplätze in den teuren Studiengängen der Natur- und Ingenieurwissenschaften in einer sinnvollen Größenordnung bewahrt werden, damit die Stadt bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze erfolgreich sein kann.

Über die Große Koalition und ihr Wirken in der Wissenschaftspolitik konnte man erst am Ende sagen: Gute und richtige Lösungen wurden über Umwege erreicht. Es war vielleicht die Kunst, aus Notlösungen echte Chancen zu machen: Die Unfähigkeit der Großen Koalition, sich auf ein neues Hochschulgesetz zu einigen, führte zu der Notlösung, 60 Paragraphen des alten Gesetzes zum Experimentieren freizugeben. Das erlaubte es zumindest der Humboldt-Universität und der Freien Universität, die Idee der Hochschulräte in Form von Kuratorien neuer Art zu erproben. Ebenso ist aus der Unfähigkeit der Großen Koalition, mit den normalen Haushaltsinstrumenten für eine Priorität in Wissenschaft, Forschung und Hochschulen zu sorgen, die Idee der Hochschulverträge gewachsen. Erst die Hochschulverträge mit einer Laufzeit über die Legislaturperiode hinaus haben am Ende zu dieser Priorität geführt.

Resümee: Wenn Berlin auf die Priorität für Forschung, Wissenschaft und Hochschule setzt, weil die Politiker auf zukunftsorientierte Arbeitsplätze hoffen, dann sollte auch die richtige Konsequenz gezogen werden. Hochschule und Forschung dürfen nicht getrennt werden und wären sinnvoll mit der Technologie zu verbinden. Oder wenn man die Verbindung von Wirtschaft und Technologie nicht auflösen möchte, wäre ein eigenständiges Ressort für Forschung und Hochschule immer noch die beste Lösung.

Uwe Schlicht

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