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Kultur: Geist aus der Flasche

„Police“-Film und Dowland-Songs: Sting in Berlin

Sting verlangt seinen Fans einiges ab. Wer von denen, die sich seit Ende der Siebziger für The Police begeisterten, hätte gedacht, einmal daran Gefallen zu finden, den Bassisten Sting Laute spielen und Lieder aus der elisabethanischen Zeit singen zu hören? Und wer hätte geglaubt, wie wunderbar sich „Message In A Bottle“ auf einer Laute spielen lässt? Sting stimmte den alten Police-Hit am Montagabend bei einem Privatkonzert im Maria am Ostbahnhof als vorletztes Stück an. Er widmete es seinem Freund Stewart Copeland. Der frühere Schlagzeuger von Police hatte das Maria zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Seit frühmorgens war er auf den Beinen, um für seinen Film zu werben. Erfahren hat er von Stings Widmung im Nachhinein, erzählte Copeland tags darauf im Babylon-Kino.

Dort feierte sein Film, die Dokumentation „Everyone Stares: The Police Inside Out“ Premiere. Unverkennbar, wenn auch mittlerweile schlohweiß und mit schwarzer Hornbrille trat der 54-Jährige auf und erwies sich als unterhaltsamer Plauderer, der sich gern an die Police-Zeit erinnert, vor allem an die Touren, weniger an die Plattenaufnahmen, denn „recording was hell“. Seit der Trennung des Erfolgstrios Mitte der Achtziger schreibt Copeland Filmmusiken. Für die Police-Doku verwendete er Super-8-Material, das er von 1978 bis 1984 aufnahm. Vier Kameras verbrauchte er, als er die Band auf Reisen, beim Proben, auf und hinter der Bühne filmte. Zwanzig Jahre lagerte das Material in Schuhkartons. Von Freitag an ist der Film als DVD erhältlich.

Verwackelt, unscharf, dafür umso authentischer ist dieses Homevideo, das intime Einblicke in das Beziehungsgeflecht der Bandmitglieder Sting, Copeland und Andy Summers gewährt. Nicht zuletzt Copelands ironischen Kommentaren ist zu verdanken, dass sich der Police-Fan an die eigene Zeit erinnert fühlt. Minimalistisch, laut und schnell war Police in den Anfangsjahren; vor allem live, wenn Copeland an den Drums durch die Songs peitschte. In einer Szene sieht man, wie Summers Copeland während des Konzerts anschreit: „too fast“. Es ist Copelands Lieblingsszene, erst recht seitdem ihm Stings heutiger Gitarrist, Dominic Miller, erzählte, Sting treibe seine Schlagzeuger regelmäßig zu mehr Tempo an.

Aktuell wandert der Weltstar auf ruhigen Pfaden, denen von John Dowland. Puristen mögen nur schwer ertragen, wie Sting auf seiner aktuellen CD „Songs From The Labyrinth“ Dowland interpretiert (Deutsche Grammophon). Sein Verdienst ist, dass viele erst durch ihn in die Versuchung geraten, sich freiwillig mit dem englischen Renaissance-Lautenisten (1563– 1626) zu beschäftigen. Die Musik mag gewöhnungsbedürftig sein, doch schnell werden Lieder wie „Come Again“ oder „Fine Knacks For Ladies“ zu Ohrwürmern.

Sting kann nicht anders. Unentwegt ist er auf der Suche nach neuer Musik, neuen Impulsen, so wie vor Jahren bei dem arabisch beeinflussten „Desert Rose“. Rockmusik liege im Sterben, sagte er neulich, was nicht seinen Abschied als Rockmusiker bedeute. Mit sichtlicher Leidenschaft zitiert der Bassist aus Dowlands Briefen, lässt Anekdoten aus seinem Leben einfließen und probiert sich auf der Laute. Die Virtuosität seines Begleiters Edin Karamazov vermag Sting auf diesem Instrument nicht zu erreichen – worüber er sich selbst am meisten lustig macht. Doch seine Stimme klingt perfekter denn je. Sie unterstreicht das Schnörkellose von Dowlands Musik.

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