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Kultur: Geisterstunde

Das Grips inszeniert Lutz Hübners „Held Baltus“

„Versuch doch einmal, dich wie ein normaler Junge zu benehmen“, ruft die Mutter, aber vielleicht ist das ein bisschen zu viel verlangt von ihrem sechsjährigen Sohn Baltus. Der gibt sich alle Mühe, den Bedürfnissen seiner alleinerziehenden Mutter Hanna zu entsprechen. Wenn die in einem häuslichen Erstickungsanfall klagt, dann schlägt der Filius vor: „Wir können ja mal ins Aquarium gehen.“ Okay, das verfehlt die gewünschte Wirkung. Aber noch mehr loslassen geht einfach nicht. Schon gar nicht, seit Baltus’ beste Freundin Claire ihm geflüstert hat, seine Mutter sei in die Fänge fremder Mächte geraten.

Mit „Held Baltus“ eröffnet das GripsTheater in Mitte die Saison auch für die jüngeren Zuschauer. Das Stück ist eine Uraufführung – wie zuvor schon die unbehauste Auftaktpremiere „Schöner Wohnen“ am Hansaplatz. Geschrieben hat es Lutz Hübner. Der besitzt jede Menge Jugendtheater-Erfahrung und ist dem Grips mit Werken wie „Nellie Goodbye“ oder „Winner & Loser“ verbunden.

Die Kinderwelt glückt Hübner stimmig. Vor allem die Szenen mit Baltus und Claire in der sturmfreien Bude haben Pfiff. Klar steht der Junge unter der Fuchtel des älteren Mädchens, das gerne mal Schocker wie „Texas Chainsaw Massacre“ anschleppt, wobei man den Horror nur in den Gesichtern der beiden sieht, eine famose Stummfilm-Sequenz. Jedenfalls ist der als Schisser verspottete Baltus empfänglich für Claires Gruselgeschichten. Und glaubt, Mamas neuer Freund Elmar sei ein Gespenst mit finsteren Absichten. Gar nicht mal so weit hergeholt übrigens. Denn tatsächlich ist Elmar ein Kinderschreck. Wenngleich von dieser Welt.

Der junge Regisseur Jörg Schwahlen, den Neu-Intendant Stefan Fischer-Fels aus Düsseldorf mitgebracht hat, inszeniert diese Geschichte über die Verlustängste der Kinder und den Freiraumwunsch der Erwachsenen zupackend. Ein Talent, keine Frage. Und auch das Ensemble überzeugt. Baltus-Darsteller Roland Wolf weiß groß geratene Kinder mit Trotz und Verletzlichkeit auszustatten, Ensemble-Neuzugang Alessa Kordeck gibt frisch den rotzfrech-altklugen Gegenpart Claire. Regine Seidler gefällt als hinund hergerissene Mutter Hanna, René Schubert als undurchsichtiger Elmar. Beide sind nun ebenfalls fest am Grips.

Lutz Hübners Stück allerdings geht gegen Ende ein bisschen die Geisterpuste aus. Wie Baltus seine Ängste zu überwinden und zu akzeptieren lernt, dass seine Mutter auch an größeren Jungs als ihm Gefallen findet, das wirkt arg aus dem Hut gezaubert. So leicht lösen sich Gespenster in Wirklichkeit nicht in Wohlgefallen auf.Patrick Wildermann

Grips-Mitte, Klosterstr. 68, wieder am heutigen Sonnabend, 16 Uhr

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