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Gerichtsurteil: 50.000 Euro für Liebesverrat

Peter von Becker über Recht und Rache beim Biller-Urteil

Das Landgericht München hat den Schriftsteller Maxim Biller zur Zahlung eines Schmerzensgelds an seine ehemalige Freundin verurteilt, die sich als Hauptfigur von Billers autobiografischem Romans „Esra“ entpuppte. 50 000 Euro muss der in Berlin lebende Autor der Ex-Geliebten zahlen, wenn das erstinstanzliche Urteil Bestand haben sollte. Im Grundsatz überrascht diese Entscheidung kaum, da im letzten Herbst bereits das Bundesverfassungsgericht ein Verbreitungsverbot des Romans wegen schwerwiegender Verletzungen des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bestätigt hatte. Was freilich befremdet, ist die Höhe des Schmerzensgeldes.

Immerhin war auch das Bundesverfassungsgericht in der Abwägung zwischen Kunstfreiheit und individuellem Persönlichkeitsrecht nur mit der knappen Mehrheit von fünf zu drei Stimmen zum Verdikt gegen „Esra“ gelangt. Die heikle Argumentation, inwieweit das Kriterium der „Erkennbarkeit“ eines realen Vorbilds den Freiraum eines Romans einschränken kann, spielt nun keine Rolle mehr. Spätestens durch die diversen „Esra“-Prozesse ist klar geworden, dass die Figur Esra eine junge Münchner Schauspielerin gemeint und getroffen hat. Anders als bei Klaus Manns „Mephisto“-Gründgens-Roman geht es um kein historisches Schlüsselwerk, das eine ohnehin berühmte und umstrittene Person der Zeitgeschichte polemisch (und poetisch) spiegelt.

Die kleine Erzählung „Esra“ bietet dagegen nur eine private Liebes- und Liebesverratsgeschichte. Und auch, wer die Kunstfreiheit verteidigen möchte, hat Verständnis, dass jemand, der mit einem Autor rein privat verbunden ist, nicht gegen seinen Willen in den intimsten sexuellen und anderen Befindlichkeiten geschildert werden möchte. Unverständlich bleibt ja, wie wenig Biller hier erdichtet und erfunden hat, wie direkt er Ort und Zeit, berufliche und familiäre Eigenschaften übernimmt, so, als ginge es bei der Affäre um einen Tatsachenroman.

Das Gericht, das eine ähnliche Forderung der Mutter der Klägerin bis zu weiteren juristischen Klärungen auf Eis gelegt hat, hätte dennoch berücksichtigen können, wie viel der Autor schon durch das Verbreitungsverbot an „Schmerzensgeld“ bezahlt hat. Der kommerzialisierte Anspruch der Ex-Freundin wirkt nach dem jüngsten Urteil nur noch: wie Rache.

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