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Aufgemerkt, die Herrschaften. Daniel Barenboim dirigiert die Staatskapelle Berlin.

© Benjamin Petit/dpa

Staatskapelle in der Philharmonie: Geröll und Magma

Explosiv: Die Staatskapelle unter Daniel Barenboim spielt Kompositionen von Harrison Birtwistle, Sergei Rachmaninow und anderen.

Zwei Bassklarinetten, zwei Kontrafagotte, zwei Tuben – der Blick zu den Bläsern auf dem Podium lässt schon vor dem ersten Ton des Abends keinen Zweifel aufkommen: Heute geht es tief hinab, in die untersten Schichten der Erde. Genau dort hat Harrison Birtwistle sein neues Werk „Deep Time“ angesiedelt.

Und tatsächlich bebt in der Philharmonie immer mal wieder der Boden, wenn im Laufe dieser Uraufführung die tiefen Bläser und Streicher der Staatskapelle unter Daniel Barenboims fordernder Leitung gewaltige Urklänge formen. Musikalische Gesteinsschichten reiben aneinander, unterbrochen von heftigen Perkussionen und grellen Bläsertönen – Magma und Geröll, musikalisch in die Luft geschleudert.

Birtwistle hat sich für diese klangprächtige, avantgardistische Orchester-Geologie vom schottischen Erdforscher James Hutton inspirieren lassen, vom Gedanken, „dass sich im Gestein dieser Erde keine Spur eines Anfangs und keine Idee eines Ausgangs nachweisen lässt, nur ein Zustand ständiger Veränderung“. „Deep Time“ endet mit einem großen Perkussions-Finale. Dafür bekommen die vier Schlagzeuger den größten Applaus, der noch einmal deutlich zunimmt, als Daniel Barenboim den 82 Jahre alten Komponisten auf die Bühne bittet.

Den Pianisten hält es kaum noch auf dem Klavierhocker

Einen weiteren Höhepunkt liefert der Pianist Deniz Kozhukhin mit dem 1. Klavierkonzert von Sergei Rachmaninow. Kraftvoll, zugleich locker – „cool“ wäre der richtige Ausdruck – gestaltet er das unterschätzte Frühwerk. Es steht im Schatten von „Rach 2“, obwohl es den schönsten Mittelsatz der vier Klavierkonzerte des russischen Spätromantikers aufweist. Ansatzlos geht es von dieser Klavierträumerei im langsamen Satz zum virtuosen Finale. Kozhukhin hält es dabei kaum noch auf dem Klavierhocker, fast stehend bringt er das Werk zum grandiosen Schluss. Barenboims Umarmung danach drückt Begeisterung aus, vielleicht auch Dank dafür, den verletzten Lang Lang mit Bravour vertreten zu haben.

Die „Trois Nocturnes“ von Claude Debussy befördern das Publikum nach der Pause dann im ersten Satz „Nuages“ ins Reich farbiger Wolken, im letzten Satz überraschen überirdische Frauenstimmen aus dem Staatsopernchor als „Sirènes“. Mit Ravels „Bolero“ gehen der Abend – und auch die Konzertsaison der Staatskapelle – zu Ende. Viel zu dirigieren hat Barenboim dabei nicht, nach einer Weile setzt er sich ins Orchester, hört zu, scherzt mit einer Cellistin. Zum Schlussakkord ist der Chef dann wieder rechtzeitig an seinem Platz.

Hans Ackermann

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