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Kultur: Geschenk an die Zukunft

Der Denkmalschützer Gottfried Kiesow ist tot

„Sehen lernen mit Professor Kiesow“ hieß die Maxime, die sein Temperament vielleicht am besten charakterisiert. So wie er in Artikeln und Vorträgen mit pädagogischem Eros und inspirierendem Engagement in immer neuen Anläufen die Augen für Giebelformen und Spitzbögen öffnete, so hat Gottfried Kiesow den Denkmalschutz ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Der langjährige Vorsitzende der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wurde so zur Leitgestalt der in den vergangenen Jahrzehnten erwachten Zuwendung zur Bewahrung historischer Baukultur. Und die Stiftung selbst zu einer staunenswerten Erfolgsgeschichte.

Beide, Kiesow und die Stiftung, gehören in einer Weise zusammen, die weit über seine mitgründende Rolle hinausgeht. Er war der Motor dieses Unternehmens, dem es gelang, die Denkmalpflege, die sich in den siebziger Jahren durchaus in der Defensive befand, zu einer anerkannten öffentlichen Aufgabe zu machen. Angeregt durch den englischen Nationaltrust setzte er, im Hauptberuf Präsident des hessischen Landesamts für Denkmalpflege, seinen Ehrgeiz in die Gründung einer vergleichbaren Institution. 1985 ins Leben getreten, hatte die Stiftung bei ihrem 25-jährigem Bestehen im vergangenen Jahr 190 000 Förderer.

Es ist das Resultat des Zusammenwirkens von Begeisterung und kluger Spendenwerbung, des Netzwerkens und des Motivierens: Kiesow hat all das systematisch betrieben, mit einer seltenen Mischung von Enthusiasmus und Präsenz. Mit Tausenden von Artikeln, Büchern, Reisen und Vorträgen hat er den Boden für den Denkmalschutz beackert und fruchtbar gemacht. Erst recht seit der Wiedervereinigung, die für Kiesow und die Stiftung zur großen Herausforderung wurde. Es war sozusagen der Ernstfall – eine ruinierte historische Bausubstanz, die es vor dem endgültigen Verfall zu retten galt. Die Kirchen, Schlösser und historischen Häuser, die in den neuen Ländern in einem denkwürdigen Einsatz in den letzten zwei Jahrzehnten wieder zum Leben erweckt wurden – durchweg durch die Mobilisierung privater Spender –, sind ein wichtiger Teil der deutschen Wiedervereinigung.

Hat dieses Kapitel von Kiesows Lebensleistung damit zu tun, dass der Pfarrersohn, geboren in einem Dorf bei Landsberg an der Warthe, das Nachkriegsschicksal von Vertreibung und Flucht mit sich trug? Der Rang, den er dem Denkmalschutz gab, war hoch: Er sei der „Dank der Gegenwart an die Vergangenheit und ihr Geschenk an die Zukunft“. Im Alter von 80 Jahren ist Gottfried Kiesow in der Nacht zum Montag nun in Wiesbaden gestorben. Hermann Rudolph

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