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Kultur: Geschichte Europas: Die Zähmung der Rivalen

Wer 3000 Jahre europäische Geschichte zwischen zwei Buchdeckel bringen will, muss sich beschränken. Michael Salewski tut genau das, wenn er im Wesentlichen Haupt- und Staatsaktionen betrachtet.

Wer 3000 Jahre europäische Geschichte zwischen zwei Buchdeckel bringen will, muss sich beschränken. Michael Salewski tut genau das, wenn er im Wesentlichen Haupt- und Staatsaktionen betrachtet. Dabei durchforstet er jedoch nicht die gesamte europäische Geschichte nach Indizien für die nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte Aussöhnung des Kontinents, um so einen neuen Europamythos zu schaffen, sondern bilanziert nüchtern die wechselhaften Geschicke des alten Kontinents. Unter Einbeziehung der Wechselwirkungen zwischen innenpolitischer, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und den jeweiligen außenpolitischen Entscheidungen entsteht eine moderne Geschichte internationaler Beziehungen, die die Augen öffnet für die Grundkonflikte der europäischen Geschichte.

Dies macht auch das Beunruhigende an seinem Buch aus. So weist Salewski zwar zum einen auf das gemeinsame Fundament Europas in der politischen und philosophischen Ideenwelt der Antike oder dem Christentum hin, zeigt zum anderen aber auch, dass der größte Teil der Geschichte von Rivalität und Krieg der verschiedenen Mächte und Staaten geprägt war. Sich die gewalttätige Geschichte des Kontinents vor Augen zu führen, ist jedoch hilfreich. Nur dadurch lässt sich ermessen, wie groß die im letzten halben Jahrhundert vollbrachten politischen Leistungen sind. Salewskis Darstellung Europas ist dabei weder die Geschichte eines permanenten Voranschreitens zu immer neuen Gipfeln der "Zivilisation" noch die eines steten moralischen und sittlichen Niedergangs. Immer wieder gab es, wie der Autor hervorhebt, Schlüsselsituationen, in denen sich die Geschichte auch ganz anders hätte entwickeln können.

1945 war eine solche Wegscheide. Weil Staatsmänner wie Robert Schuman und Konrad Adenauer statt auf die in der europäischen Geschichte vorherrschende Rivalität auf Ausgleich setzten, gelang es ihnen, die gefährlichen Folgen des Nationalismus, der mit der damit einhergehenden Massenmobilisierung seit dem 19. Jahrhundert zu einer "Entgrenzung" der Kriege geführt hatte, einzudämmen. Zu Recht sieht Salewski darin einen Paradigmenwechsel der europäischen Politik, der mit dazu beitrug, dass die "Nachkriegszeit" nicht, wie schon nach 1918, sofort wieder in eine "Vorkriegszeit" mündete.

Jürgen Zimmerer

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