zum Hauptinhalt

Kultur: Gesundheit: Interview: "Jedes Jahr sterben 20 000 an den Folgen von Medikamenten"

Winfried Beck (58) ist Vorsitzender des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte. Der Facharzt für Orthopädie betreibt eine Praxis in Offenbach.

Winfried Beck (58) ist Vorsitzender des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte. Der Facharzt für Orthopädie betreibt eine Praxis in Offenbach.

Herr Beck, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt will einen Medikamentenpass einführen. Was halten Sie davon?

Ich begrüße das, denn die meisten Patienten können ihrem Arzt nicht mitteilen, welche Medikamente sie alle einnehmen. Teilweise wissen sie es nicht einmal. Das trifft für mehr als die Hälfte der Patienten zu, besonders bei älteren. Hinzu kommt die Selbstmedikation, also Dinge, die kein Arzt verschrieben hat und die in keiner Unterlage vorkommen. Es wäre wichtig, dass auch diese Medikamente in den Pass aufgenommen würden.

Reicht die Versichertenkarte, die ja schon jeder hat, dafür nicht aus?

Das wäre technisch sicherlich möglich. Aber die Datenschutzproblematik wäre schwieriger, weil auf der Versichertenkarte auch andere persönliche Daten gespeichert sind. Auf dem Medikamentenpass sollten nur der Name und die Medikamente vermerkt werden. Sonst nichts.

Gibt es schon vergleichbare Modelle?

Es gibt Medikamentenbücher. Die setzen allerdings voraus, dass auch alle Arzneien eingetragen werden.

Das wäre beim Medikamentenpass auch nicht anders.

Das geschieht automatisch mit der Chipkarte beim Apotheker. Es dürfte kein Mittel ohne Pass herausgegeben werden.

Datenschützer haben trotzdem Bedenken.

Dies ist ein klassischer Fall, bei dem die gesundheitlichen Interessen der Patienten stärker zu gewichten sind. Wir sehen am Beispiel Lipobay, dass es um Leben und Tod geht. Aus meiner Arbeit als Arzt kann ich mir keine Datenschutzprobleme vorstellen.

Würden Sie den Pass auch für Röntgenaufnahmen begrüßen?

Unbedingt. Die Strahlenbelastung durch mehrere Röntgenaufnahmen kann sehr hoch sein. Diese Problematik könnte gleich mit dem Medikamentenpass gelöst werden.

Könnte der Pass helfen, dass Probleme wie bei Lipobay in Zukunft nicht mehr auftreten?

Es wäre zumindest einfacher, diese Probleme zu vermeiden. In diesem Fall war ja eben die Wechselwirkung mit einer anderen Arznei das Verhängnis. Jedes Jahr sterben in Deutschland 20 000 Menschen an den Folgen von Medikamenten. Ein Medikamentenpass könnte das Bewusstsein schärfen, dass die Einnahme von Arzneien ein Risiko darstellt und verdeutlichen, dass es keine Hauptwirkung ohne Nebenwirkung gibt.

Warum gibt es den Pass nicht schon lange?

Früher hat sich die Ärzteschaft wegen des bürokratischen Aufwandes dagegen verwahrt. Aber dieses Argument ist ja überhaupt nicht mehr vorhanden.

Herr Beck[Ges], heitsministerin Ulla Schmidt will

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false