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Kultur: Glaube und Vertrauen

Goya, El Greco, Poussin: Londons Auktionshäuser steht vor einer ihrer besten Altmeisterwochen.

Wenn die kommende Altmeisterwoche in London besondere Dichte und Gravitas hat, verdankt sich das auch der vom Deutschen Unicef-Komitee versteigerten Sammlung Gustav Rau. Insgesamt gehen bei Sotheby’s am 3. und 4. Juli fast 140 seiner Werke unter den Hammer. Anderes wird im Herbst bei Bonhams versteigert, eine erste Tranche des großen Schatzes wurde im Kölner Auktionshaus Lempertz im Mai für 1,7 Millionen Euro versteigert. Letzte Woche erzielte während der Londoner Moderne-Auktionen ein Starlos der Sammlung, Claude Monets frühes Impressionistengemälde „Pont de Bois“, 6,2 Millionen Pfund.

Gustav Rau (1922–2002) war Erbe einer Stuttgarter Werkzeugmaschinenfabrik, die er verkaufte, um mit vierzig noch Arzt zu werden. Er gründete ein Kinderkrankenhaus im Kongo und arbeitete dort. Regelmäßig aber stieg er ins Flugzeug und mischte sich in Londons Auktionssälen unter die Händler, die damals noch die Auktionsbühne beherrschten – mit kurz geschorenen Haaren, in Khakishorts und braun gebrannt war er unter den korrekt gekleideten, englischen Händlern eine exzentrische und mysteriöse Erscheinung. Was er kaufte, verschwand meist in einem Banksafe im Züricher Zollfreilager Embraport. Nach dem langen Rechtsstreit um Raus Erbe, den Unicef gewann, werden die Londoner Auktionen nun der große Markttest für seinen eigenwilligen Kunstsachverstand.

Spitzenlos der Offerte ist El Grecos „Der heilige Dominikus im Gebet“, 1970 bei Julius Böhler in München gekauft, und nicht nur wegen seiner Rarität ein perfektes Auktionslos. Ein Andachtsbild für den Privatgebrauch, dazu die rasanteste Malerei des Genies, die seit Jahren auf dem Markt ist, und mit drei bis fünf Millionen Pfund maßvoll taxiert. Dieser Einlieferung hat Sotheby’s wohl auch zu verdanken, dass es ein zweites Bild von El Greco anbieten kann: eine gleich hoch taxierte Kreuzigung, die der spanische Maler Ignacio Zuloaga vor 1903 kaufte und die bis vor kurzem in dessen Museum in Zumaia war. Als zweites Topstück gelten sechs wuchtige, halluzinatorische Fresken von Giandomenico Tiepolo. In feiner Monochromzeichnung und golden leuchtendem Hintergrund berichten sie über die Heldentaten der Porto-Familie in Vicenza, deren Schloss sie schmückten – bis sie abgenommen und 1903 in das Speisezimmer des Berliner Industriellen und Kunstsammlers Dr. Eduard Simon verfrachtet wurden. Rau kaufte sie in den sechziger Jahren aus einem englischen Schloss. Auch sie sind auf drei bis fünf Millionen Pfund geschätzt.

Dies scheint überhaupt die Regeltaxe in dieser Woche zu sein: Auch das wunderbare Panorama der Stadt Avignon, gesehen von Claude-Joseph Vernet, trägt sie. Genau wie eines der Hauptlose von Christie’s, der von dem jungen Nicolas Poussin in Rom bildfüllend gemalte Elefant Hannibals. Nur zwei der Spitzenlose sind teuerer: Ein Großformat von Jan Steen, dessen Titel man frei mit „Wie gewonnen, so zerronnen“ übersetzen könnte. Es zeigt den Künstler beim Austernessen in einem luxuriösen, aber etwas boudoirhaften Interieur. Nicht nur die Malerei des für seine Kabinettbilder begehrten Malers, auch die selbstironische und in sich gebrochene Moralität des Bildes fasziniert. Seine Rekordtaxe von sieben bis zehn Millionen Pfund rechtfertigt es aber schon damit, dass solche Großformate Steens aus Privatbesitz nicht mehr zu haben sind: Christie’s Gemälde kam im späten 18. Jahrhundert nach Großbritannien und war seither im Familienbesitz.

Dies sind nur die Highlights eines Angebots, dass sich auch auf Zeichnungen, Skulpturen und „Objets d’art“ der höchsten Qualität erstreckt. Es gibt drei Pinselzeichnungen von Goya, zwei bei Sotheby’s (1–1,2 Mio. Pfund) und eine bei Christie’s (1–1,5 Mio. Pfund), Sotheby’s hat in seiner Skulpturenauktion 45 Werke der Rau-Sammlung, darunter als Highlight einen kleinen, elfenbeingeschnitzten Tragaltar nach der Schule von Amiens. Eine Provenienz über das 19. Jahrhundert zurück gibt es nicht. Nun muss es sich mit einer Schätzung von 2,5 bis 3,5 Millionen Pfund bewähren. Auf nur 200 000–300 000 Pfund ist das expressive Fragment eines „Corpus Christi“ geschätzt, das als Frühwerk Tilmann Riemenschneiders bezeichnet wird – auch hier entscheiden ein scharfes Auge, Expertenverstand und Glaubenskraft.

Tiefreligiöse Kunst und Ornamente des schieren Reichtums mischen sich in dieser Woche. Zu den Highlights gehört eine silberne Kaffeekanne, die immer wieder Rekordpreise brachte und vom Goldschmied Paul de Lamerie stammt. Verkäufer ist der berühmteste Silbersammler des letzten halben Jahrhunderts, der in Schottland lebende arabische Diplomat Muhammed Mahdi al-Tajir, der die Kaffeekanne als eines der letzten Stücke seiner Sammlung behielt. Mit 3,5–4,5 Millionen Pfund liegt sie ziemlich genau auf dem Preisniveau eines El Greco.

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