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Mitreißende Grauköpfe. Joan Castleman (Glenn Close) und ihr Mann Joseph (Jonathan Pryce).

© Squareone Entertainment

Glenn Close in „Die Frau des Nobelpreisträgers“: Abrechnung mit dem männlichen Geniekult

Björn Runges Tragikomödie „Die Frau des Nobelpreisträgers“ nimmt das überkommene Rollenbild der Partnerin im Schatten eines großen Mannes ironisch auseinander.

Glenn Close war die obsessive unerbittliche Grenzgängerin, die moderne Femme fatale des Kinos. Mit harten Augen und viel Körpereinsatz spielte sie die unnachgiebige Stalkerin in „Eine verhängnisvolle Affäre“, die intrigante Verführerin im Geschlechterkampf der „Gefährlichen Liebschaften“ und am Broadway die machtbewusste Prinzenmutter im Mittelalter-Drama „Der Löwe im Winter“.

Schon die Filmtitel verrieten, dass Frauenfiguren à la Glenn Close von heftigen Affekten umgetrieben wurden. Glenn Close schaffte es dennoch, hinter monströsen Leidenschaften und Rachsucht die Kränkung und Zurücksetzung sichtbar zu machen, die ihre „bösen Frauen“ schwach und stark zugleich erscheinen ließen.

Dutzende furioser Filme, Bühnen- und Serienrollen später ist es anders. Den schmalen Charakterkopf ziert jetzt eine kurze eisgraue Hingucker-Frisur. Glenn Close, der Star mit dem androgynen Vornamen, stellt ihr Alter gelassen aus. In „Die Frau des Nobelpreisträgers“, der während des ersten Schwungs der #metoo-Bewegung in den USA wie ein Ausrufezeichen wahrgenommen wurde, trägt sie die wallenden Outfits wohlsituierter Ostküsten-Damen. Von zwanghaftem Jugendkult keine Spur.

Der ständige Versuch, Familienstreit auszugleichen

Sie ist Joan Castleman, die souveräne, kontrolliert wirkende Gattin des Bestseller-Autors John Castleman (Jonathan Pryce). Seiner geliebten Frau verdankt der zerstreute, mit seiner Eitelkeit kokettierende Narzisst alles, das jedenfalls bekundet er nachdrücklich gleich zu Beginn des Films, wenn der Sekretär der Schwedischen Akademie die beiden in aller Frühe anruft und verkündet, Castleman werde den Literatur-Nobelpreis erhalten. Die demonstrative Liebesgeste trifft auf Wohlwollen, der Sekretär ruft Joan ans Telefon, der Pakt scheint selbstverständlich, dass „die Frau hinter dem erfolgreichen Mann“ als ewige Unterstützerin und Begleiterin des Gatten ein angemessenes Kompliment hört und damit in die Pflicht genommen wird.

„Die Frau des Nobelpreisträgers“, Björn Runges schwedisch-amerikanische Adaption des Romans „Die Ehefrau“ von Meg Wolitzer, ist eine Tragikomödie, die das überkommene Rollenbild der sanktionierten Partnerin im Schatten eines großen Mannes ironisch auseinandernimmt. Glenn Close zupft Jonathan Pryce die Krümel aus dem Bart, mahnt die verordnete Pilleneinnahme an, hält den Nobelpreis-Frack parat und übersieht routiniert das permanente Balzgehabe des Alten gegenüber jungen Frauen. Vor allem versucht sie, latenten Familienstreit auszugleichen. Denn so charmant Castleman die Bedeutung seiner Frau für sein Leben bekundet, so arrogant und desinteressiert gibt er sich gegenüber seinem Sohn, der als junger Schriftsteller die väterliche Anerkennung vermisst.

Die Fassade bröckelt, Abgründe tun sich auf

In diesem Beziehungsdreieck fungiert Glenn Close als die klassische Bewahrerin und Beschützerin. Die Mutterrolle, die das Drehbuch der einstigen Beziehungskillerin zuschreibt, mutet auf den ersten Blick altmodisch an, dieses Frauenbild ist längst politisch korrekt infrage gestellt, lebt jedoch nicht nur in den Ehen karrierebewusster Manager munter weiter.

In „Die Frau des Nobelpreisträgers“ bröckelt die Fassade, Abgründe tun sich auf, die ohne die isolierte Einsamkeit oder Zweisamkeit beim Schreiben eines Romans nicht zu denken sind. Wenn in den Nahaufnahmen ihres Gesichts der innere Kampf der Ehefrau um Contenance und Solidarität mit dem gutmütig gespreizten Egoshooter aufscheint, blendet der Film in die Anfänge ihrer Beziehung zurück. Joan, dargestellt von Annie Starke, der Tochter von Glenn Close, verliebt sich im Creative-Writing-Kurs ihrer Universität in den verheirateten Castleman, der sich als Dozent über den eigenen literarischen Misserfolg hinwegtröstet. Man tauscht Texte und kommt sich näher. Castleman erkennt ihr Schreibtalent, sie bewundert seinen Lebenshunger, der ihm Themen und Stories zutreibt, aber auch seine erste Frau dazu bewegt, ihn mit zynischen Bemerkungen freizugeben.

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Aus Joans Perspektive erzählt, ist der Film auch eine Abrechnung mit dem männlichen Geniekult des US-Literaturbetriebs. Eine Autorin warnt Joan ausdrücklich, sich dem frustrierenden, letztlich vergeblichen Stress einer eigenen Karriere auszusetzen, zu aussichtslos der Kampf um Anerkennung. In einem Verlag schnappt Joan später die höhnischen Macho-Kommentare der Lektoren auf und trifft die Entscheidung, lieber hinter Castleman unsichtbar zu bleiben.

Showdown bei der Nobelpreisverleihung

Wie es sich für eine schnittig konstruierte, in melancholischen Winterfarben gehaltene Ehe- und Emanzipationskomödie gehört, drängen Joans aufgestaute Gefühle auf der Reise zum Nobelpreis plötzlich an die Oberfläche. Ein Möchtegern-Biograf, der die Vergangenheit der beiden recherchiert hat und um Kontakt buhlt, setzt sich als Agent provocateur auf ihre Spur und führt Joan in die Erinnerung an ihr Können und ihr mangelndes Selbstbewusstsein zurück.

„Die Frau des Nobelpreisträgers“ erzählt ein mitreißend gespieltes Ehe-Komplott, in dem ausgerechnet die Nobelpreisverleihung zum Schauplatz der Enthüllung einer Lebenslüge wird – angesichts der Skandale um das Komitee ein realsatirisches Extra-Bonbon zum Thema Sexismus in elitären Institutionen.

in 8 Kinos, OmU: Sony Center, Hackesche Höfe, Kulturbrauerei, Odeon, Rollberg

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