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Kultur: „Glück ist Pflicht“

Imre Kertész über Schicksal, Literatur und den Holocaust

Imre Kertész tritt aus dem Gästehaus des Wissenschaftskollegs im Berliner Grunewald. Er verbeugt sich vor den Fotografen. So steht er, an diesem klaren kalten Tag, und lächelt. Seit gerade drei Stunden ist er Literaturnobelpreisträger, und er bleibt stehen und genießt diesen Moment. Kurz darauf redet er in leisem, kaum brüchigem Deutsch in die Mikrofone. Die zitternde Hand versteckt er in der Jackentasche.

Erste Reaktion? „Ein Dankgefühl. Das bedeutet: mein Werk ist geschätzt. Ich versuche das nicht zu erklären – ich begnüge mich damit, dass der Preis da ist. “

Vollkommenes Glück? „Ich war immer glücklich. Glück ist Pflicht, habe ich einmal gesagt, Camus zitierend.“

Schreiben? „Ich bin Schriftsteller, und als Schriftsteller schreibt man immer, wenn nicht auf dem Papier, dann im Kopf. Wenn ich meine täglichen Depressionen überwunden hatte, dann schrieb ich.“

Schicksal? „Schicksal ist, wenn man mit seiner eigenen Existenz in engem Kontakt lebt und frei ist – trotz äußerer Unfreiheit.“

Botschaft? „Eine Botschaft habe ich nicht. Das ist nicht in Mode. “

Holocaust? „Ich habe es damals alles persönlich erlebt, und jetzt schreibe ich darüber. Wenn man Kind ist, dann hat man Vertrauen ins Leben, als Erwachsener, wenn so etwas passiert wie Auschwitz, dann bricht man zusammen.“

Literatur? „Ich schreibe Literatur. Was kann Literatur erreichen? Dass ich einen Leser habe, der eine Heimat hat und meine Sätze genießt.“

Deutsche Literatur? „Meine erste Begegnung hatte ich mit Thomas Manns ,Wälsungeblut’ und ,Tod in Venedig’. Das war 1954 eine große Befreiung.“

Imre Kertész steht auf, posiert noch einmal mit einem Strauß Blumen. Dann geht er den Weg zurück ins Gästehaus. mos

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