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Gestern Prinz, heute Clown, morgen König. Der Schauspieler Klaus Maria Brandauer, 2013. Foto: dpa

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Glückwunsch zum 70. Geburtstag: Der Bezauberer

Theaterstar und Kinoheld: Dem Schauspieler Klaus Maria Brandauer zum 70. Geburtstag.

Er gehört zu einer im deutschsprachigen Theater gerade aussterbenden oder auf ihre Wiedergeburt wartenden Spezies. Denn er gehört zu den Bezauberern. Zu den Verwandlungsvirtuosen. Klaus Maria Brandauer, der seine(n) Maria des Wohlklangs oder des höheren Segens wegen und dazu den Nachnamen von seiner ersten Frau Karin Brandauer gewählt hat, KMB also fällt als Erstes auf durch seine Stimme. Die kann im austriakisch gefärbten Weichton so samtig locken, so helldunkel schwingen und singen, wie das auf uralten Aufnahmen noch vom seligen Alexander Moissi aus habsburgischen Zeiten herüberklingt. Oder von Brandauers österreichischem Landsmann Oskar Werner erinnerlich ist.

Wie Oskar Werner hat der gebürtige Steiermärker als einer der wenigen deutschsprachigen Theaterstars auch im internationalen Film Karriere gemacht, bis Hollywood, als James-Bond-Gegenspieler oder neben Meryl Streep und Robert Redford als Hauptdarsteller in Sydney Pollacks „Jenseits von Afrika“. Und der Oscar für István Szabós „Mephisto“ verdankte sich vor allem Brandauers Titelfigur.

Selbst wer ihn nicht von der Bühne kennt, konnte es zuletzt in der Studie eines Demenzkranken im TV-Film „Die Auslöschung“ sehen: seine aus der Passion für die Schauspielerei und durch das unbedingte Wirkenwollen befeuerte Virtuosität. Sie bedeutet auch eine Gefährdung. Darum braucht es Regisseure, die Brandauers Temperament und Talent nicht bremsen, was hieße, einen Ferrari in der Garage laufen zu lassen, sondern achtsam befördern: dass auch die Leidenschaft noch Form, der heißeste Schmerz noch Kälte (wie bei Tschechow oder Shakespeare) und die Süße Bitternis gewinnt (wie bei Schnitzler).

Der erste Große, der Brandauers überbordende Begabung in geniale Form brachte, war Fritz Kortner. In Kortners letzter Inszenierung, 1970 Lessings „Emilia Galotti“ in Wien, spielte der junge Brandauer den Prinzen, in dessen Reich die Bürgertochter Galotti um Glück und Leben gebracht wird, nie als abgebrühten oder bloß sentimentalisch launischen Macho. Nicht einmal als erotischen Libertin. Vielmehr: als selber vergeblich Liebenden, als Verführer fast wider Willen. Und Jahrzehnte später, ein Riesensprung, hat KMB in Peter Stein – seit dem „Wallenstein“ – wieder einen Partner gefunden, bei dem Formbewusstsein und Reflexion in besonderer, manchmal bewusst alt(un)modischer Weise zusammenkommen. Stein/Brandauers „Zerbrochner Krug“, im Berliner Ensemble immer ausverkauft, zeigt die Kleist’sche Menschheitskomödie an den Rändern zwar oft konventionell verwaschen. Aber im Zentrum steht, nein, sitzt und thront Brandauers Richter Adam als wahres Monster. Wahr, weil schonungslos gegen sich selber, das eigene Alter, die schiere Verstellungskunst. Adam, der Mensch.

Am heutigen Samstag wird der Bezauberer 70 und spielt in seinem Stammhaus, der Wiener Burg, allein auf großer Bühne den alten Krapp in Samuel Becketts „Letztem Band“, Regie Peter Stein, mit dem er in Wien als Nächstes den „Lear“ machen will. Sein „Letztes Band“ hatte schon im Frühjahr Premiere in der Schinkel-Kapelle von Schloss Neuhardenberg. Seitdem geht der traurig tröstliche Clown Krapp als Brandauer um die Welt. Gratulation!

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