zum Hauptinhalt
Schumann-Kenner. Der finnische Dirigent John Storgards.

© Marco Borggreve

Goethe-Vertonung in der Philharmonie: Väterlicher Mephisto

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spiel Schumanns „Faust-Szenen“ unter Leitung von John Storgards. Da wird sogar das Böse weich.

Zu den Werken am Rand des gängigen Konzertlebens, denen sich einst Claudio Abbado liebend zugewandt hat, gehören Robert Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“. Es ist ein Oratorium der vielen Worte, mit mächtigem „Dies irae“ in der Domszene mit dem Bösen Geist und pastoralen Himmelsklängen. Fängt die Ouvertüre „Langsam, feierlich“ an, so fühlt man, dass Geduld angesagt ist für die Auseinandersetzung des romantischen Musikers mit der Tragödie ohnegleichen.

Das Publikum, das sich am Sonntag in der Philharmonie eingefunden hat, ist bereit zu andächtigem Zuhören. Es herrscht die Stille märchenhafter Konzentration. Mit viel Intensität spielt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, obwohl die Schumann’sche Instrumentierung kaum prickelndes Solistenfutter bereithält. Es reüssiert im Vollklang der Streicher und mit seiner glänzenden Bläserbesetzung. In dem finnischen Dirigenten John Storgards steht ein Schumann-Experte am Pult, dessen Verehrung für die Musik sich überträgt. Seine Hände modellieren den Klang ohne Taktstock. Die erste „Abteilung“ der „Faust-Szenen“ gehört der Liebestragödie Gretchens, die von Christina Gansch mit innigem Sopran gesungen wird. Schumann vertont Goethe wörtlich in Ehrerbietung vor der Weltliteratur, während die Striche im Text seinem Hauptanliegen einer Erlösungskantate zugutekommen.

Keine Helena, keine Walpurgisnacht, keine Geisterbeschwörung am Kaiserhof. Und doch geht es um die ganze Dichtung bis zu „Fausts Verklärung“, wie Schumann den Schluss nennt, mit dem Schlüssel zu Fausts Rettung: „Wer immer strebend sich bemüht ...“

Im zahlreichen Solistenensemble, das hervorragende Mitglieder des beteiligten Rias Kammerchors einschließt, gibt Markus Eiche in Dialogen und langen liedhaften Monologen den Faust, später Doctor Marianus: wunderbar textdeutlich mit klarem Bariton. Sophie Klußmann als Sorge und Bernhard Berchtold als tenoral imposanter Ariel, beide zusätzlich in weiteren Partien, stehen für das kantable Niveau des Ganzen ein. Mit den Stimmen „seliger Knaben“ singt sich sorgfältig einstudiert der Kinderchor des Georg-Friedrich-Händel-Gymnasiums in die Herzen des Auditoriums.

Die Schlussszene aus „Faust II“, die auch Gustav Mahler für seine achte Sinfonie gewählt hat, insistiert schließlich mit Ausführlichkeit auf dem „Ewigweiblichen“. Und Mephisto? In der Komposition Schumanns ist er eher eine Randfigur. Aber Stephan Klemm versieht die Rolle mit so schönen schwingenden Basstönen, dass er beinahe väterlich klingt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false