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Kultur: Goldene Zeiten

Frankfurt für alle: Heute feiert der Kulturerfinder Hilmar Hoffmann seinen 80. Geburtstag

Hätte es in Deutschland einen Kulturstaatsminister schon früher gegeben, er wäre der geborene erste Amtsinhaber gewesen. Aber auch so war Hilmar Hoffmann, den die Jüngeren wohl nur als weißhäuptigen Goethe-Instituts-Präsidenten in Erinnerung haben, drei Jahrzehnte lang der prominenteste Kulturpolitiker des Landes. Hoch gewachsen, mit immer leuchtendem Blick und sprühender Rede, war er, der heute in Frankfurt am Main seinen 80. Geburtstag mit Freunden und Weggefährten feiert, von Anfang an ein Feuerkopf. Die hohe Mähne, die ihn inzwischen wie einen Nachfahren Goethes und Hauptmanns aussehen lässt, kam erst später. Gleichsam als Würdemaske eines charmant funktionierenden Nichtfunktionärs.

Als Pionier aus Passion und Profession zeigte er seinen besten Seiten vor allem in den besten Zeiten der alten Bundesrepublik. Zwar stammte der Schlachtruf „Opas Kino ist tot!“ nicht von ihm. Aber ausgegangen ist die Parole des jungen deutschen Films von Oberhausen, wo Hoffmann mit 26 erst Deutschlands jüngster Volkshochschuldirektor war und 1953 dann die Internationalen Kurzfilmtage gegründet hat.

Tatsächlich ein Gründergeist. Als er Anfang der Siebzigerjahre als frisch gebackener Dezernent für „Kultur und Freizeit“ in Frankfurt gleich das erste Kommunale Kino erfand, war das nur der Anfang einer heute schier unfasslichen Reihe von kulturpolitischen Initialzündungen. In den 20 Jahren seines Frankfurter Feuerwerks ließ er zwischen 1970 und 1990 über ein Dutzend neue Museen und Ausstellungshäuser errichten: vom Deutschen Architekturmuseum und Deutschen Filmmuseum bis zur Kunsthalle Schirn, dem Jüdischen Museum oder dem lange umkämpften Museum für Moderne Kunst. Eine Art Fortsetzung der Frankfurter Schule (Adorno, Habermas & Co.) wurde das von Peter Palitzsch und Hans Neuenfels geprägte Frankfurter Mitbestimmungs-Theater – das am Ende scheiterte. Nachhaltiger erfolgreich war dagegen das neue Musiktheater unter Michael Gielen und Klaus Zehelein. Und den Frankfurter Bürgern gab Hoffmann, fast wie ein Stadtschloss, die restaurierte Alte Oper als klassizistisches Konzerthaus zurück.

Eine Belle Epoque bundesdeutscher Kulturpolitik, weil noch aus dem Wirtschaftswunder schöpfend. Mit einer halben Milliarde Mark im Jahr und sagenhaften elf Prozent Kulturanteil am städtischen Haushalt machte Hilmar Hoffmann die Mainmetropole zum Modell seines Mottos „Kultur für alle“. Der Dezernent wurde selbst zur Institution, egal ob die SPD oder die CDU im Römer regierte. Auch das war ein Unikum. Denn Hoffmann, der gebürtige Bremer und aufgewachsene Ruhrpöttler, war immer ein Mann des sozialdemokratischen Bildungsideals. Mindestens so wichtig wie die 15 neuen Museen waren ihm seine 30 Stadtteil-Bibliotheken. Erst als das Wirtschaftswunder einbrach, begann die Kritik: an Hoffmanns angeblichem Gründergrößenwahn – und im Zuge der Anti-68er-Reaktionen auch an der Parole „Kultur für alle“. Dabei hatte er weder behauptet, heute sei alles Kultur, noch hatte er jede Häkelgruppe zu Stadtteilkünstlern erhoben. Es ging ihm um erweiterte Teilhabe. Nicht um einen ausufernden Kulturbegriff.

Neun Jahre, bis 2002, lenkte er die Goethe-Institute durch ihre Finanzierungskrisen unter den Regierungen Kohl und Schröder und initiierte nach der Wende Neugründungen von St. Petersburg bis Hanoi. Auch an Universitäten war der Folkwangschüler mit Regie-Diplom für Musik und Theater längst ein gefragter Lehrer, ob in Marburg oder Tel Aviv. Und unter seinen vielen Büchern ist das „Taubenbuch“ des Brieftaubenfans eines der schönsten. So fliegen ihm heute die Glückwünsche zu, auf allen Wegen.

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