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Truppenbetreuung: Good Morning, Afghanistan

Die Show für die Truppen ist so alt, wie es Truppen gibt. Warum reist der Verteidigungsminister mit Gattin ins Kriegsgebiet? Eine kleine Geschichte der Truppenbetreuung.

Xavier Naidoo war da, Peter Maffay, Gunter Gabriel, die Coverband Pink Mail und ein Esslinger Polizeiorchester. Bisher war vom Entertainment für deutsche Soldaten im Auslandseinsatz wenig zu hören. Aber nun kommt Stephanie zu Guttenberg.

Das Glamourpaar der deutschen Politik ist mit Talkmaster Johannes B. Kerner im Schlepptau nach Masar-i-Scharif geflogen, dem deutschen Hauptquartier in Afghanistan (siehe S. 1 und 4). Das gibt Fotos von der Verteidigungsministergattin mit Splitterschutzweste und Stahlhelm zur Lederreisetasche, wahlweise mit Tablett in der Kantine, an der Seite einer Soldatin und freundlich beäugt von deren Kollegen in der Essensschlange. Richtig glamourös ist das nicht, auch ein Kerner-Talk mit Soldaten-Staffage erhöht den Fun-Faktor für die Truppe kaum. Und die Opposition schimpft über die „ministerielle PR-Aktion“ samt Banalisierung der Risiken.

Dabei ist die Show für die Truppen so alt, wie es Truppen gibt. Wer Krieg führt, braucht nicht nur den berühmten Rückhalt in der Bevölkerung, sondern auch Spaß: als Ablenkungsmanöver vom harten Soldatenjob und als Zeichen eben jener Zivilität, die im Krieg nicht selten verteidigt wird. Wer Militäreinsätze organisiert, muss folglich für moralischen Rückhalt sorgen, für seelische Erbauung und erotischen Ausgleich. Party als psychologische Kriegsführung, ein Stück Normalität mitten im permanenten Ausnahmezustand. Auch Soldaten sind Menschen.

Seit altersher gab es die mitreisenden Priester, die Soldatenhure, die Drogen, die Feldpost. Heutzutage sollen nicht nur Armeesender („Good Morning Vietnam“) die Kampfkraft stärken, sondern auch Promis – Präsidenten und Politstars ebenso wie Showgrößen aus Film, Pop und Fernsehen. In Amerika hat das Tradition. Marlene Dietrichs Besuch der gegen Hitlers Wehrmacht kämpfenden US-Truppen ist Legende - und wurde ihr von den Deutschen beschämend lange nicht verziehen. Nicht minder legendär sind Marilyn Monroes Auftritte in Korea, wo sie 1954 in vier Tagen vor über 100 000 Soldaten sang – und dafür eigens ihre Flitterwochen unterbrach.

Auch Fred Astaire und die Marx Brothers gaben sich im Zweiten Weltkrieg die Ehre, nach Vietnam reisten Jayne Mansfield, John Wayne, Sammy Davis jr. – und Bob Hope mit seinen Weihnachtsspecials. Im Kosovo traten Karat und No Angels auf. Die Irakkämpfer wurden unter anderem von Angelina Jolie und Brad Pitt, Jennifer Lopez, Robin Williams, Bruce Willis und dem Rapper 50 Cent versorgt. Den Soldaten zuliebe erinnerte sich Schwarzenegger sogar an sein früheres Leben und brachte einen „Terminator“-Film mit. Je größer die Antikriegsstimmung, desto mehr sank jedoch der Glamour bei der US-Truppenbetreuung. Irgendwann kam nur noch B-Prominenz.

Stars an die Front, eine Prozedur mit Risiken und Nebenwirkungen. Der Patriot Glenn Miller, der seine Jazzkarriere unterbrach, um das Army Air Force Orchestra zu leiten, kam 1944 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, auf dem Weg zu einem Pariser Konzert mit der Musikertruppe. Xavier Naidoo beteuerte auf seiner Homepage, dass er den Bundeswehreinsatz nicht grundsätzlich befürworte und sich auch nicht in Szene setzen wolle. Pink Mail wiederum durften ihren Song „Afghanistan“ nicht spielen, wegen der Zeile „Auch wenn die Lage scheiße ist, wir bleiben trotzdem hier“. Nur zwei Dosen Bier waren pro Konzertbesucher erlaubt.

Das schrillste Bild für den Wahnsinn, mitten im Kampf den ganz normalen Entertainmentwahnsinn zu veranstalten, hat Francis Ford Coppola in „Apocalypse Now“ gefunden: mit einer Armada von Playboybunnies, die auf Hubschraubern im Dschungel von Indochina einfliegt.

Fazit: Die Deutschen üben noch, was die Truppenbetreuung betrifft. Stephanie zu Guttenberg als unsere Marilyn? „Das ist kein spaßiger Ausflug“, betonte sie nach ihrer Ankunft.

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