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Kultur: Grummeln und Grinsen

Lässig disparate Bilder von Bernhard Martin und Jonathan Lasker in der Galerie Thomas Schulte

„Schlapp bin ich, schlappschlappschlapp", würde der Mann im Galerieschaufenster lallen, wenn er denn reden könnte. Doch wo bei anderen der Mund sitzt, gähnt bei ihm eine Eishöhle. Sein Wolfskopf stellt sich als gefrorener Brocken heraus, und der mit Fenstereinschnitten versehene Aluminiumbauch ist mit Wackersteinen gefüllt. Sein Glück: Dies ist das Werk Bernhard Martins und nicht der sieben Geißlein, sonst läge der Tropf schon am Grund eines Märchenbrunnens. Stattdessen ist der skulpturale „Cadavre exquis“ in die Galerie Thomas Schulte geplumpst – unsanft, alle dünnen Viere von sich streckend und dann doch mit mattem Jetzt-erst-recht-Gestus das Schnapsglas in der Rechten hoch haltend. Prost mal jetzt.

„Sour Cloud" (2007) heißt die aus romantischer Natursehnsucht, Grimms Märchen, sozialer Randbemerkung und privater Befindlichkeit montierte Figur. Sie ist ein Glanzbeispiel für das Sampling-Talent des 42-jährigen Künstlers. Disparates in Form, Inhalt und Materialien führt er auch in der zweiten Skulptur „Vielleicht Römisch“ zusammen. Wieder eine antropomorphe Figur auf acht Abflussrohrbeinen, deren Oberkörper an eine antike Amphore erinnert und auf deren Bronzekopf ein goldfarbenes Gebiss blitzt. Oft grinst oder grummelt einen Martins Kunst ja an, die meist zwischen trockenem Humor und Magenbittermelancholie pendelt; „Vielleicht Römisch" bleibt jedoch im beliebigen Ungefähr stecken. An einer Reihe verspielter Collagen kann sich der Martin-Freund schadlos halten. Für seine vielschichtige Malerei aber müsste man aktuell nach Salzburg, in die Galerie Thaddaeus Ropac pilgern.

Die Beschränkung auf Martins Skulpturen und Papierarbeiten in Berlin hat allerdings einen Grund. Parallel stellt Thomas Schulte Gemälde von Jonathan Lasker aus. Der berühmte US-Maler, Jahrgang 1948, und sein junger deutscher Kollege sollen sich am Abend der Doppelvernissage prächtig verstanden haben. Auch ihre Kunst harmoniert auf kaum erklärliche Weise, obwohl sich die Strategien krass unterscheiden. Martin behauptet durch flexiblen Eklektizismus seine Eigenständigkeit, Lasker hat in den achtziger Jahren eine gegenstandslose Malerei von einzigartigem Look entwickelt.

Fünf Großformate und vier Papierarbeiten sind in Berlin gehängt. Die typische Lasker-„Partitur“ ist unverändert: Ein Nebeneinander von Linienknäueln und undechiffrierbaren Zeichen, über dünn gemalten Bildflächen stehen wulstig auf die Leinwand gedrückte Gitterstrukturen, die in Farben von Erdbeersahnerosa bis Legoblaurotgelb leuchten. Nach wie vor simuliert Lasker Zeichensysteme, ohne dass in einzelnen „Hieroglyphen“ ein Inhalt verborgen wäre. Als Parodist künstlerischer Bedeutungshuberei hat er seinen Platz in der neueren Kunstgeschichte verdient. Doch in den neuen Arbeiten wird auch eine Weigerung spürbar, vom inzwischen sattsam Bekannten abzuweichen. Lasker imitiert Lasker, als ginge es darum, ein einmal festgelegtes Branding gegen die Konkurrenz zu behaupten. Böse gesprochen: mit einem Bild wie „The Equality of Apples and Oranges“ überm Sofa, das an eine extravagant verzierte Torte erinnert, ist der süße Mittagsschlummer garantiert.

Galerie Thomas Schulte, Charlottenstr. 24; bis 28. Juni., Di–Sa von 12-18 Uhr.

Jens Hinrichsen

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