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Kultur: Gut kopiert

Jedes Stück ein Einzelstück, jedes Blatt ein Original, und doch heißt die Ausstellung ganz treffend: "Vom Erfinden und Kopieren." Das Kupferstichkabinett zeigt seine Sammlung altniederländischer Zeichnungen, 50 Blatt aus einer beeindruckenden, aber nur in Bruchstücken erhalten gebliebenen künstlerischen Epoche.

Jedes Stück ein Einzelstück, jedes Blatt ein Original, und doch heißt die Ausstellung ganz treffend: "Vom Erfinden und Kopieren." Das Kupferstichkabinett zeigt seine Sammlung altniederländischer Zeichnungen, 50 Blatt aus einer beeindruckenden, aber nur in Bruchstücken erhalten gebliebenen künstlerischen Epoche. Die Zeichnungen von Jan van Eyck, Rogier van der Welden, Hieronymus Bosch und anderen waren Arbeitsmaterial ihrer Werkstätten, Kopien von anderen Werken, Fingerübungen womöglich, doch dabei ein Sprung in der Kunstgeschichte, da sie die Welt in ungemein naturgetreuer Weise abzubilden trachteten. Dreidimensionalität und stoffliche Genauigkeit heben diese Zeichnungen von dem ab, was noch kurz vorher in Europa produziert wurde. Wie verhaftet der Originalitätsbegriff jener Jahre noch dem der Antike war, der Qualität nicht ausschließlich über künstlerische Kreativität beschrieb, zeigt eine Anbetungsszene: Wirkt die Zeichnung wie eine naturgetreue Kopie des aus der Gemäldegalerie ausgeliehenen Bildes, sind Zeichnung und Gemälde in Wahrheit beides Kopien einer Komposition aus dem frühen 15.Jahrhundert. Die lineare Einflussgeschichte erweist sich hier als ein Gestrüpp von motivischen Querverbindungen, deren Ursprung nachzuverfolgen erst nachrangig eine Frage von Qualität ist.

Der ikonographische Rahmen ist weitgehend traditionell und reicht von christlichen Anbetungsszenen zu Porträts von Zeitgenossen. Doch "die Zeichnung ist von so großer Vornehmheit, dass sie nicht allein die Werke der Natur aufsucht, sondern noch unendliche viele mehr", wie Leonardo schreibt, und in der kleinen Ausstellung ist es Bosch, der die Bild- und Formensprache mit seinen bizarren Zeichnungen dramatisch erweitert. So hängt etwa neben dem Stundenbuch der Maria von Burgund ein Blatt mit zwei großartigen, Bosch zugeschriebenen Geschöpfen, in denen man eine fliegende Ratte oder einen gefedertern Frosch erkennen mag. Bosch beschließt dieses Jahrhundert eben nicht nur biographisch, seine Zeichnungen, technisch der Zeit durchaus verbunden, brechen die ikonographische Tradition wohl endgültig.

mos

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