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Kultur: Hans in Leder

Die BMW-Niederlassung Leipzig hat der Oper freundlicherweise ein Motorrad zur Verfügung gestellt.Auf diesem nicht gerade schäbigen Vehikel kehrt der arme Hans heim in sein böhmisches Vaterdorf, um das Mädchenherz der Marie unsicher zu machen.

Die BMW-Niederlassung Leipzig hat der Oper freundlicherweise ein Motorrad zur Verfügung gestellt.Auf diesem nicht gerade schäbigen Vehikel kehrt der arme Hans heim in sein böhmisches Vaterdorf, um das Mädchenherz der Marie unsicher zu machen.Geld regiert die Welt, Beton die Gegend, wie geschaffen für Inlineskater, die denn auch ihr Bestes geben.Die Landbevölkerung scheint das Gelände, grau in grau, überhaupt zu lieben, denn sie wählt es zum Schauplatz ihrer Tänze und Intrigen.Der Regisseur Nicolas Brieger will die tschechische Nationaloper "nicht ins 19.Jahrhundert abschieben", keine Idylle.Also spielt sie in der Biege einer Autobahn, entworfen vom Bühnenbildner Hans Dieter Schaal, und Stapel der praktischen Freizeitstühle aus Plastik sind zur Hand, wie man sie auf Fahrgastschiffen und in Gartenlokalen verwendet.Hans und Marie besingen ihre Treue, während das BMW-Modell, auf dem sie beide Platz genommen haben, blinkt und blitzt.Die ländlich-traditionelle Tracht ist zur Maskerade verkommen, auf Pappschildern fotokopiert haben die Choristen sie sich umgehängt und sehen damit aus wie eine Mischung aus Lebkuchenkindern und Anziehpuppen.Damit entfällt eine Individualisierung des einzelnen in der Menge, die Inszenierung setzt auf kollektives Ruck-Zuck.

In München 1997 war Thomas Langhoff "aus Liebe" eine wunderbare Inszenierung gelungen, die der kritischen Aspekte um die "Verkaufte Braut" dennoch nicht entbehrt.Die Verhältnisse sind eben nicht heil, wo einer sein Mädchen verschachern muß, um es heiraten zu können.In Leipzig gesteht Brieger sein "geteiltes" Verhältnis zu dem Stück ein, ohne daraus eine neue Spannung zu ziehen.Der Hans ist ein Macho in Leder, den Maries Frage nach seiner Herkunft in Wut gegen die Verlobte versetzt.Versöhnung heißt bei ihm Sex.Hat man dies festgestellt, sinkt das Interesse an dem Typ mit Stirnglatze, Sauerkohlhaaren und physischer Behäbigkeit auf null.Louis Gentile kämpft zudem am Premierenabend mit einer Indisposition, tapfer zwar, aber eben ohne das versöhnende Kehlengold.

Die Zirkustänzerin Esmeralda ist in Gestalt Snezana Stamenkovics zugleich die Marie, und der leichte Sopran der Sängerin neigt eher der ersteren zu, als daß er für den blutvollen Affekt der Titelfigur taugte.Was für eine große Musik Smetana mit der As-Dur-Arie des Mädchens präsentiert, das sich verlassen und verraten glaubt wie Pamina in der "Zauberflöte", kann die fiepsige Stimme, in jedem Sinn zwischen den Stühlen, nicht kenntlich machen.Mit getönter Brille und Intensivfarben ist der Heiratsvermittler Kezal nach der landläufigen Vorstellung eines Zuhälters gekleidet (Kostüme: Uta Winkelsen).Um seine kupplerischen Geschäfte mit den Eltern der Marie (rechtens sehr gefeiert: Cornelia Wulkopf als Ludmila) unbehelligt tätigen zu können, entledigt er sich des depperten Hochzeitskandidaten Wenzel, indem er ihm Geld für ein Eis spendiert.Daß die Rechnung trotzdem nicht aufgeht, ist bekannt, aber der Darsteller Christoph Stephinger auch wenig geeignet, das Interesse bis dahin, etwa mit seinem hit-artigen Dukatenangebot, nachhaltig zu binden.

"PIVO PIT", so die leuchtende Aufschrift, heißt eine Bude auf Rädern, in der die "fröhlichen" Landmänner das Bier aus Pappbechern mit dem Ernst von Korpsstudenten trinken.In der Ecke oben läuft der Fernseher, während ein laszives Goldröckchen mit Strapsen jugendfreien Striptease verkauft.Auf dem Wagendach aber ist Leben: Wenzel, der Stotterer, das Kind, probt mit seinem Teddy den Heiratsantrag.Es ist nicht der schlechteste Zug der Regie, daß der Verlierer der Handlung als Held des Abends besteht.In dem Nebenrollensänger Jörg Schörner drängt ein lyrischer Tenor zur Entdeckung und nimmt die Rolle des schüchternen, von Lautangst gehemmten jungen Mannes wahr, um sich in die Herzen des Publikums zu spielen.Auf Kosten der vitalen Zirkusszene macht Brieger aus dem Auftritt der Komödianten "Wenzels Traum", in dem der bewährte Trockeneisnebel, weiße Magie, Seifenblasen und überlebensgroße Requisiten die Herrschaft antreten, zu Ungunsten des kleinen Direktors (Victor Sawaly), zugunsten der Psyche des sprachgestörten Wenzel, der in jeder Blüte die Braut sieht.Kein Wunder, daß Marie eine Neigung zu dem Jungen faßt, dessen Bärchen-Obsession alle möglichen Formen vom Spielzeugmuseum bis zur Schokoindustrie einschließt.

Das Happy-End mit dem schlauen Hans hingegen nimmt die Braut nur noch schemenhaft wahr, weil sie sich unter dem Eindruck des Verkauftwerdens betrunken hat.Entsprechend zwielichtig geht der gefährliche Handel des Motorradhelden aus.

Am Pult des Gewandhaus-Orchesters dirigiert Jirí Kout seine letzte Premiere als scheidender Generalmusikdirektor.Laut Intendant Udo Zimmermann auf der Pressekonferenz vor der Vorstellung wird Kout die Verbindung mit der Oper Leipzig halten - als Ehrendirigent.Wie er die Partitur seines Landsmannes Bedrich Smetana versteht, ist der grandios fetzigen Achtelkontrapunktik des Ouvertüren-Vivacissimo zu entnehmen.Das Niveau läßt sich nicht immer halten, weil die Bühne zu schwach dagegen hält.Stärker als es die modernistische Aufführung wert ist, erhebt sich am Ende ein zünftiger Premierenstreit.Das macht sie wiederum sympathisch: Emotionen im Theater.

Wieder am 23., 25., 27.Februar, 6.März.

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