zum Hauptinhalt

Kultur: Harry, der Sechste

Ein

von Peter von Becker

Seit Mitternacht gibt es ihn nun auch auf Deutsch, den sechsten und vorletzten „HarryPotter“-Band. Wie schon sein Vorgänger hatte „Harry Potter and the Half-Blood Prince“ es im Sommer geschafft, als englische Originalausgabe die Spitze der deutschen Bestsellerlisten zu erobern. Da waren erst ein paar hunderttausend Exemplare im Spiel – jetzt startet die deutsche Übersetzung mit zwei Millionen Auflage. Und immer mehr Leser dürften schon recht erwachsen sein. Echte „Kinder“-Literatur ist die siebenteilige Saga der Joanne K. Rowling spätestens seit dem dritten Band nicht mehr. Das liegt nicht nur am Schuljahr für Schuljahr fortschreitenden Alter des Zauberlehrlings Harry. Rowling erzählt ja eine sich ständig verfinsternde Kriegsgeschichte, in der dämonische Rassisten und Terroristen die Weltherrschaft erringen wollen. Das ist doch ein bisschen härter als der übliche „Kampf zwischen Gut und Böse“, den Rolf Pietsch, der liebenswürdige katholische Chef der Stiftung Lesen, gerade eben zum Merkmal „für Kinder- und Jugendliteratur“ erhebt.

Erhebend für Pietsch und die Buchkultur ist allerdings die Hoffnung, dass zumindest ein Bruchteil jener jungen Leute, die laut Pisa-Studie lieber laufende Bilder als stehende Schriftzeichen mögen, hier noch einmal zu Potter und zum Lesen kommt. Der noch größte Bildungseffekt könnte freilich der außerschulische Englisch-Unterricht sein. Für die unzähligen Jugendlichen, die in den nicht angelsächsischen Ländern ihren siebenhundertseitigen „Half-Blood Prince“ oder davor den noch dickeren „Harry Potter and the Order of the Phoenix“ im Original verschlungen haben, dürfte J. K. Rowling inzwischen die erfolgreichste Englischlehrerin aller Zeiten sein. Also: noch ein Rekord für die zur Milliardärin gewordene ehemalige Sozialarbeiterin. Doch all das ist nur ein Vorgeschmack, was der Welt an wahrem Wahnsinn bevorsteht, wenn mit Band 7 das Finale kommt. „Harry Potters“ Ende wird ein apokalyptisches Fest werden, und man wird für eine lange Nacht kaum glauben wollen, dass der Zauber großer Bücher niemals endet.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false