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Kultur: Hart, aber unfair

Wettbewerb: Yoji Yamadas „Kakushi Ken“ betrauert die letzten Samurais

Von Kerstin Decker

Vor zwei Jahren zeigte uns der Japaner Yoji Yamada seinen ersten Samurai- Film. Der Hauptheld hatte zwei kleine Töchter, eine senile alte Mutter und eine tote Frau. Wir erfuhren erstmals Wissenswertes über die Doppelbelastung des Samurais durch Haushalt und Beruf: ein allein erziehender Kämpfer mit Holzschwert, Alzheimer-Mutter ohne Pflegestufe, Haus mit Landwirtschaft im späten 19. Jahrhundert – was für ein Konflikt. Der Film war ein Riesenerfolg in Japan, und jetzt präsentiert Yoji Yamada den Nachfolger. Der Samurai Katagiri ist ein vergleichsweise wohlhabender Samurai mit richtigem Metallschwert, ohne Frau, ohne Kind, ohne alte Eltern. Auch deshalb, weil der Vater von Katagiri durch Harakiri starb.

Wieder erzählt Yoji Yamada in großen ruhigen Bildern – Langsamkeit ist eine Form der Höflichkeit, in Japan weiß man das. Nur wir Subjektivlinge mit unseren hektischen subjektiven Kameras haben das vergessen. Außerdem ist Yoji Yamada ziemlich alt, er braucht sich nicht mehr zu beeilen. Auch wenn „Kakushi Ken“ („The Hidden Blade“) viel konventioneller wirkt als der Vorgänger, das Thema ist noch deutlicher. Es geht nämlich gar nicht um Schwertkämpfe und Kampfgeheul. Dies ist ein als Kostümfilm getarnter Denkfilm: Wie sterben einstmals so mächtige alte Ordnungen? Wie ist es überhaupt möglich, dass Neues entsteht? Über-Siebzigjährige wie Yamada interessieren sich besonders für derlei Fragen, aber gibt es eigentlich etwas Spannenderes?

In unserem Trivialgeschichtsbild ist alles ganz einfach: Zuerst sind da die patriarchalen Unterdrückungsgesellschaften und dann erkämpften die Ideen der Freiheit und des Subjekts die Demokratie. Ende. An der japanischen Geschichte lässt sich besonders gut zeigen, dass alles Neue zugleich Ungerechtigkeit gegen das Alte ist. Denn Japan hatte im 19. Jahrhundert noch diese Kriegerkaste wie der Westen zu Zeiten der „Ilias“. Die muss jetzt an zeitgemäßen Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen: Sie lernt schießen und marschieren. „Augen links!“ Die großen Krieger sind unfähig, solchen Kommandos zu folgen. Sie sind Krieger, also bellizistische Subjekte und kein Marschmaterial. Nur Nicht-Kämpfer bauen solche komischen Maschinen (Kanonen).

Keine Angst, die Samurai führen keine Diskurse über solche Dinge, aber die Bilder haben einen doppelten Boden. Wenn das Licht einer neuen Zeit auf die alte Ordnung fällt, erkennt man auch, was in ihr immer schon hohl war. Ja, Katagiri mit dem Harakiri-Vater lässt sich von seinem Clan zu einem Zweikampf schicken mit dem Mann, der einmal sein Freund war. Aber dann zielen auch Gewehre auf seinen Gegner – einen schlimmeren, demütigeren Tod kann es nicht geben für einen Samurai. Wo das Abknallen beginnt, ist die Zeit des Kampfes zuende. Das Alte bringt sich selbst zu Fall.

Heute, 12 Uhr (Urania); 22.30Uhr (International); 20. 2., 15 Uhr (Berlinale-Palast)

Martenstein

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