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Kultur: Hart besaitet

Marek Janowski will nach vier erfolgreichen Jahren als Chefdirigent das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin verlassen – warum nur?

Es ist leicht, Marek Janowski unsympathisch zu finden. Er ist der Maestro mit der grimmigen Miene, der Mann, der niemals lächelt. Interviews gibt er nur in absoluten Ausnahmefällen, und wenn er eine Pressekonferenz zu absolvieren hat, sitzt er mit einem Gesichtsausdruck auf dem Podium, als wolle er die versammelten Medienvertreter am liebsten sofort wieder verjagen. Die Musiker des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB), das Janowski seit gut vier Jahren erfolgreich leitet, beteuern zwar, er sei in den Proben ganz anders – doch ein großer Redner war der 1939 in Warschau geborene und in Deutschland aufgewachsene Künstler auch hinter den Kulissen nie.

Es ist leicht, Marek Janowski sympathisch zu finden. In Zeiten, da der Verkauf von Kunst fast genauso wichtig geworden ist wie die geistige Ware selber, verweigert er sich konsequent allen Regeln des Musikmarktes. Eine riskante Haltung in einer Stadt, in der sieben Orchester um öffentliche Aufmerksamkeit buhlen. „Das Wesentliche ist die Musik“ lautet das Motto des RSB, und die Kritiken der Janowski-Abende sind fast immer euphorisch. Dennoch steht das Orchester des ehemalige DDR-Rundfunks seit Jahren im Schatten seines „großen Bruders“, des einst vom RIAS gegründeten Deutschen Symphonie-Orchesters, das mit Kent Nagano einen Medienmagier als Chef hatte und mit Ingo Metzmacher ab der kommenden Saison wieder einen Liebling des Feuilletons verpflichten konnte.

Nach Stationen als Generalmusikdirektor in Freiburg und Dortmund begründete Marek Janowski von 1984 bis 2000 als Chef des Orchestre Philharmonique de Radio France in Paris seinen Ruf als feingeistiger Interpret und gewissenhafter Orchestererzieher in allerbester Kapellmeistertradition. Mit dem RSB hatte Janowski erstmals 1999 zusammengearbeitet. Man verstand sich sofort prächtig, zum Herbst 2002 trat Janowski seinen Job an, nach nur drei Jahren wurde der Vertrag bis 2011 verlängert. Umso überraschender kam für die Musiker am vergangenen Wochenende die Mitteilung, ihr Chef wolle zum Saisonende 2007 seinen Posten in der deutschen Hauptstadt hinschmeißen.

Völlig korrekt, aber wenig souverän hatte der Dirigent einen Brief an Rudi Sölch geschrieben, den Kuratoriumsvorsitzenden des Rechtsträgers, der Rundfunkorchester und -chöre GmbH. Erst danach hat er auch mit seinen Musikern gesprochen – offensichtlich ohne wirklich etwas zu sagen. „Er ist nicht verpflichtet, Gründe zu nennen“, konstatiert der Kontrabassist Frank Thierbach vom Orchestervorstand im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Wir müssen es hinnehmen, wie es ist.“

Marek Janowski ist ein schwieriger Charakter. Und er pocht auf absolute künstlerische Autonomie. Ob er in dieser Frage mit Gernot Rehrl aneinandergeraten ist, dem neuen Intendanten der ROC, der sich mit gemeinschaftlichen Projekten der Ensembles profilieren will? Rehrl selber hat diesen Eindruck natürlich nicht: „Ich bin erst seit dem Sommer im Amt, wir hatten noch gar nicht wirklich die Gelegenheit, ausführlich über künstlerische Fragen zu sprechen.“ Doch vielleicht hat der joviale Bayer die Mimosenhaftigkeit Janowskis unterschätzt.

Der Orchestervorstand lebt jetzt nach dem Prinzip Hoffnung: In der ersten Januarwoche könnte es zu einem Gespräch zwischen Janowski und dem ROC-Management kommen. Dabei will man den allseits hoch geschätzten Künstler zum Bleiben überreden. Bisher, erzählt Thierbach, habe sich der angekündigte Abgang nicht negativ auf die Probenarbeit ausgewirkt. Damit das auch so bleibt, wollen die Musiker Janowski nicht mit dem heiklen Thema „nerven“ (Thierbach). Am heutigen Donnerstag musizieren sie gemeinsam mit Senta Berger im Kammermusiksaal der Philharmonie, am 30. und 31. Dezember steht dann, wie jedes Jahr, Beethovens „Neunte“ an. Wer weiß, vielleicht bewirkt ja Schillers Freuden-Ode ein Umdenken: „Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt.“

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