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Kultur: Haus aus Federn

ARCHITEKTUR

Gebäude sind immobil, auf Fundamenten fest verankert für die Ewigkeit, egal ob antike Tempel oder gotische Kathedralen. Doch neben der erdenschweren Unbeweglichkeit träumen Architekten schon immer von der Überwindung der Schwerkraft, von der Entmaterialisierung der Architektur.

In seinem Buch „Featherweights“ (Prestel Verlag, München 2003, 160 S., engl. Text, 59 €) zeichnet der Architekturkritiker Oliver Herwig den Traum von den federleichten Bauten des 20. Jahrhunderts nach. Leicht, beweglich, fließend – die Aspekte sind vielfältig, die Herwig zusammengetragen hat, bis hin zur vollständigen Entmaterialisierung von Architektur und Stadt, der virtuellen Computerstadt „Sim-City“. Der Wunsch nach leichter und flexibler Architektur kann schließlich viele Gestalten haben.

Was in den verspielten Architekturvisionen der Sechzigerjahre bei der Gruppe Archigram noch als unbaubar galt, das haben Frank O. Gehry und Zaha Hadid inzwischen auf den Weg gebracht – CAD sei Dank. Dabei liegen Marketingspaß und Sinnhaftigkeit oft eng beieinander, manchmal sogar in ironischer Brechung wie bei Shigeru Ban. Bei seinem 1995 errichteten Haus in Nagano hat er den Begriff der Vorhangfassade wörtlich genommen: Helle Vorhänge blähen sich dort im Wind an Stelle steinerner Wände. Herwigs Bespiele lassen sich kaum über einen Kamm scheren, denn während Werner Sobeks Glashaus R 128 bei aller Entmaterialisierung ein festgefügtes Nobelobjekt ist, stellt Johannes Kaufmanns Wohncontainer ein Haus dar, das vom Tieflader Huckepack genommen werden kann.

Jürgen Tietz

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