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Hegemann als Puppentheater: Chor der entrechteten Blogger

Die Puppentheatergruppe "Das Helmi" verballhornt „Axolotl Roadkill" als „Axel hol den Rotkohl“ im Ballhaus Ost - auf Helene Hegemanns ausdrücklichen Wunsch.

Veralbern kann ich mich alleine, sagt der Volksmund, aber die meisten können das natürlich doch nicht. Helene Hegemann schon. Dass ihr Superskandalbestseller „Axolotl Roadkill“ jetzt von der Puppentheatertruppe „Das Helmi“ zu einem kunterbunten Abend unter dem Titel „Axel hol den Rotkohl“ verballhornt wird, war der ausdrückliche Wunsch der Autorin, sie hat sogar selbst daran mitgebastelt.

Hegemann hätte ihr Buch auch gleich so nennen können, dann wäre vielleicht niemand auf den Gedanken gekommen, eine landesweite Fundamentaldebatte über Plagiarismus vom Zaun zu brechen, weil sie unter anderem aus dem Werk „Strobo“ des Bloggers Airen zitiert hat. Und Helene Hegemann hätte auch keinen großen „Zeit“-Artikel unter der Überschrift „An meine Kritiker“ schreiben müssen, in dem sie sich über die Kübel von Schmutz beklagt, die über ihrem vormals minderjährigen Haupt geleert wurden. Ein schockierender Text war das, weil er nahelegte, dass sie tatsächlich alles gelesen hat, was über sie geschrieben wurde. Hält ja keiner aus, so was.

Nun also marschieren die Helmi-Spieler mit Pappköpfen bewehrt ins Ballhaus Ost ein und sprechen als Chor der entrechteten Blogger im Stile des Laientheaters von Volker Lösch. „Wir sind authentisch!“, skandieren sie, und es wird ein gemeinsamer Besuch des Berghain angeregt. Wir erinnern uns: Das ist der Club, in dem Helene Hegemann im Gegensatz zu ihrer 16-jährigen Protagonistin Mifti vermutlich nie Drogen konsumiert hat, was ihr als anti-authentischer Fauxpas ausgelegt wurde. Die Metaebene des Boheis wäre also bedient, und im Folgenden zappen sich die Helmis fröhlich assoziativ und sangesfreudig durch ein paar Szenen des Buchs.

Man muss keine Handlung vermissen, weil auch die Vorlage keine hat, das Thema von „Axolotl Roadkill“ ist ja die Ereignisdürre eines jungen Lebens bei gleichzeitigem Gedankenübersprudeln. Die wunderbare Stephanie Stremler bedient eine Mifti-Puppe, die sich unter anderem mit dem Vater streitet, der gerade „mit dem Frank eine Ready-made-Oper in Tel Aviv“ macht. Ein Schelm, wer da nicht an Hegemanns Dramaturgen-Papa Carl denkt. Auch spielen jede Menge niedliche Axolotl-Schaumstofftiere mit, der Axolotl ist ja der mexikanische Schwanzlurch, der nie erwachsen wird und im Buch eine Metapher für besagten Zustand abgibt.

Jedenfalls herrscht die in Performerkreisen verbreitete, ausgelassene Kindergeburtstagsstimmung, und keiner gerät in Versuchung, sich selbst oder das Buch ernst zu nehmen. Besser kann man „Axolotl Roadkill“ nicht adaptieren. Das Problem ist nur, dass sich das noch nicht herumgesprochen hat. Ernste Versuche werden folgen, das Thalia Theater in Hamburg macht im Herbst mit der offiziellen Uraufführung den Anfang. Vermutlich wird auch an zig anderen Theatern eifrig überlegt, wie man die 256 Kotz-Szenen des Buchs von jenem psychologischen Realismus freihält, der so passé ist wie das Heroin, das Mifti im Buch konsumiert. Aber das ist dann nicht mehr Hegemanns Sorge.

Wieder am 7., 8., 26. und 27. Mai.

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