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Kultur: Heim ins Erd-Reich - Streit um Installation im Reichstag

Das Hohe Haus ist zumeist ein ernstes Haus. Aber der schon länger schwelende Streit um die Kunst im Parlament nimmt nun auch groteske Züge an.

Das Hohe Haus ist zumeist ein ernstes Haus. Aber der schon länger schwelende Streit um die Kunst im Parlament nimmt nun auch groteske Züge an. Letzten Dienstag hatte sich der Kunstbeirat des Deutschen Bundestags für einen Entwurf des Installationskünstlers Hans Haacke entschieden, der im nördlichen Lichthof des Reichstagsgebäudes einen knapp 21 Meter langen und sieben Meter breiten, mit Erde gefüllten Holztrog in den Boden einlassen möchte. Die Erde soll aus den Wahlkreisen oder Heimatorten der 669 Bundestagsabgeordneten herangekarrt werden, Samen und Kräuter aus allen deutschen Landen sollen hier sprießen - und der Künstler will auf dieses demokratische Biotop eine Leuchtschrift projizieren, mit Lettern wie überm Portal des Reichstages. Allerdings soll das Signal nicht "DEM DEUTSCHEN VOLKE" gelten, sondern "DER BEVÖLKERUNG". Haacke wittert hinter der aus dem Kaiserreich stammenden Widmung einen "nationalistischen" Exklusiv-Anspruch und möchte, dass die Arbeit des Parlaments nicht nur Inhabern deutscher Pässe dient.

Diese Vorstellung versetzt nicht nur Peter Ramsauer in Rage, den parlamentarischen Geschäftsführer der CSU. Seit Herbst wettert er gegen Haackes Entwurf. Aber auch Antje Vollmer, die grüne und kunstsinnige Vizepräsidentin des Bundestags, hält das Erd-Werk für Biokitsch. Nun gibt es auch juristische Einwände. Dietrich Murswieck von der Universität Freiburg hat die These vertreten, der Bundestag, vom Grundgesetz auf das deutsche (Staats-)Volk verpflichtet, dürfe "seine Selbstdarstellung nicht auf ein verfassungswidriges Konzept gründen". Auch die "Berliner Seiten" der FAZ nennen jetzt Haackes Projekt "verfassungswidrig". Das aber ist juristischer Unsinn. Kein Kunstwerk greift ein in die Arbeit des Parlaments oder könnte das Selbstverständnis des Bundestags "umwidmen". Eine Grünfläche mit der Leuchtschrift "Der Bevölkerung" ist als Installation weder verfassungsrelevant noch überhaupt justiziabel. Die Symbolik mag naiv sein (warum schreibt Haacke nicht gleich: "DEN MENSCHEN"?), zum Agit-Prop taugt sie nicht. Aber vielleicht wächst das vom Künstler erhoffte Kraut darüber, und irgendwann verkündet ein Schriftwechsel "Den Schmetterlingen" oder widmet das Erdreich den heimischen Würmern und Schnecken.

P.v.B.

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