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Kultur: Heinrich im Reich der Digedags

Das muß man sich erst einmal trauen: Richard Wagners "Tannhäuser", einen der schwersten Brocken der Opernliteratur auf die kleine Bühne des kleinen Cottbuser Staatstheaters zu hieven.Ohne Netz und doppelten Boden - und ohne Geld für teure Stars und üppige Ausstattung.

Das muß man sich erst einmal trauen: Richard Wagners "Tannhäuser", einen der schwersten Brocken der Opernliteratur auf die kleine Bühne des kleinen Cottbuser Staatstheaters zu hieven.Ohne Netz und doppelten Boden - und ohne Geld für teure Stars und üppige Ausstattung.Operndirektor Martin Schüler und seine Ausstatterin Gundula Martin machen das einzig richtige in dieser Situation: sie bleiben locker.

Die Bühne sieht aus, als solle hier ein Konzert stattfinden: kahle, hellgraue Wände begrenzen die Spielfläche, in der Mitte steht ein Flügel.Während der Ouvertüre tritt ein Chor auf, mit "Tannhäuser"-Klavierauszügen in den Händen.Schnell aber fokussiert sich das Interesse auf einen jungen Mann in der ersten Reihe, der alsbald - von allen guten Sänger-Geistern verlassen - in einen (Alp)-Traum taumelt: Er wagt es, einen weiblichen Fan seiner Kunst von sich zu stoßen, und die Dame - leider die Göttin der Liebe höchstpersönlich - rächt sich, indem sie den feingeistigen Frackträger gnadenlos ins Mittelalter zurückstößt.Dort trifft er auf eine Horde grobschlächtiger Kerle im Kettenhemd, die unentwegt mit ihren überlangen Schwertern herumfuchteln und im übrigen zur Harfenbegleitung theoretische Abhandlungen über das Wesen der Liebe von sich geben.

Martin Schüler läßt den Tannhäuser unter die Digedags geraten, jene legendären Comic-Ritter, die in der DDR Kultstatus genossen und auf der Cottbuser Bühne nun als miesepetrige Minnesänger ein schrilles Comeback feiern.Das Konzept geht auf: Der Sängerkrieg wird zum Grand Prix, bei dem Tannhäuser wie Guildo Horn die etablierten Hitproduzenten vor den behelmten Kopf stößt, woraufhin die erbosten Barden den Avantgardisten sofort niederstrecken wollen, ihn nach dem Einspruch der charmanten Assistentin des Jury-Vorsitzenden, Elisabeth, dann doch nur bis auf weiteres disqualifizieren.Da kommt Stimmung auf - und die Botschaft vom Daseinskampf des Künstlers in der Gesellschaft trotzdem rüber.

Mag manchem Wagnerianer auch bei dem Gedanken die Miene versteinern - Schülers Sängerkrieger-Parodie macht aus dem "Tannhäuser" in Cottbus eine höchst kurzweilige Angelegenheit - und läßt vergessen, daß an diesem Abend fast alle Solisten und auch der Chor hart an die Grenze ihrer stimmlichen Möglichkeiten gehen müssen.Allein Sabine Passow als Gast von der Komischen Oper ragt mit jubelnden Tönen in der Hallen-Arie und einer anrührenden Gebetsszene als wirkliche Primadonna heraus, während John Pierce zwar optisch eine Idealbesetzung für die Titelrolle ist, seiner Stimme aber trotz hörbar intensiver Vorbereitung und kluger Kräftedisposition einfach zuviel zumutet.Bewundernswert souverän meistert das Philharmonische Orchester des Staatstheaters die enormen Anforderungen der Partitur, von ihrem Chefdirigenten Reinhard Petersen immer wieder zu glanzvoller Klangentfaltung und rasanten Tempi angefeuert.

Dieser Cottbuser "Tannhäuser" ist kein Fest der schönen Stimmen, aber ein wirklich lebensvoller und darum gewinnbringender Musiktheaterabend, bei dem mit allen hier zur Verfügung stehenden Mitteln und vor allem mit spürbarem Enthusiasmus genau das umgesetzt wird, was Landgraf Hermann im Libretto vergeblich von den Wartburgmannen fordert: "Die holde Kunst, hier werde sie zur Tat!"

Weitere Aufführungen am 23.Mai um

16 Uhr, am 6.und 25.Juni um 18 Uhr

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