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Kultur: Herr Rutschky

Geburtstagsgruß an einen schreibenden Welterklärer

Schreiben sei Bogenschießen, sagt Herr Rutschky, Zerstreuung dazwischen sehr wichtig. Herr Rutschky geht gern spazieren, Herr Rutschky ist der Star der Straßen von Kreuzberg 61. Seit ihn der erst vor wenigen Wochen geborene Hund Pelo begleitet, wird Herr Rutschky von jeder zweiten Frau angesprochen. Und von allen Kindern sowieso. Herr Rutschky, so geht die Fama, trat in frühen Jahren an der Freien Universität mit Zigarettenspitze auf. Er war Redakteur bei „Transatlantik“ und beim „Merkur“ und Herausgeber des „Alltag“. Und ist heute froh, freier Autor zu sein. Herr Rutschky erklärt uns die Welt, in Essays, Radiosendungen und im Fernsehen. Herr Rutschky erklärt uns die „Kunst des Schwadronierens“, die „Schlaflosigkeit“, das „Freibad“ und den „Krieg in Kreuzberg“. Fast immer hat dabei die Muse K. ihren Auftritt. K., so wird vermutet, steht für Kommunikation, womöglich auch für Ehefrau Katharina. Werden sie gebraucht, liegen auch Freud, Weber, Kracauer, Bourdieu oder Luhmann mit ihm im Prinzenbad. Herrn Rutschkys Bücher heißen u.a. „Erfahrungshunger“, „Wartezeit“, „Traumnachrichten“, „Die Meinungsfreude“, „Lebensromane“ oder „Berlin. Die Stadt als Roman“.

Er ist geborener und, nach oberhessischer Nachkriegskindheit und Jugend, auch gelernter Berliner. In seinem eigenen Lebensroman hat er zwei Mal nach Berlin zurückgefunden. Und kann sich heute vom Hund bis vor das Haus Zossener/Ecke Gneisenaustraße ziehen lassen, in dem sich vor dem Krieg das Atelier seines Großvaters, des großen Berlin-Fotografen Max Missmann befand. Herr Rutschky ist der Mann, den der junge Mensch, der aus der Provinz in die große Stadt kommt, zu kennen wünscht. Herr Rutschky fördert viele solcher junger Menschen. Herr Rutschky erzieht. Junge Menschen und junge Hunde. Herrn Rutschkys schlimmstes Urteil lautet verschwurbelt. Er ist kein Freund des Kunstreligiösen. Und hält nicht viel von Untergangsszenarien, Herr Rutschky sieht nicht gleich das Abendland in Gefahr, wenn Rechtschreibregeln geändert werden. Er ist Optimist. Und ein Freund Amerikas. Herr Rutschky liebt den „Paten“, die „Sopranos“ und Clint Eastwood. Herr Rutschky geht gern ins Kino. Durch seine Texte fühlt sich das allgemeine Dasein und das spezielle, in Berlin heller, erleuchteter, französischer, manchmal wie Paris, manchmal fast romanhaft an. Herr Rutschky wird heute sechzig Jahre alt. Wir gratulieren.

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