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Kultur: Heute auf Platz 10 Alicia Keys:

„The Diary Of Alicia Keys“

HITPARADE

Die Geschichte klingt wie aus einer Vorabend-Soap: Kellnerin ruft einen Gast an, um ihn zu fragen, ob er sie nicht mal treffen möge. „Ich weiß, Mädchen tun so etwas normalerweise nicht“, sagt sie. Im zweiten Teil des Songs gibt Alicia Keys dem Hörer das Gefühl, jener Gast zu sein. Was er denn beruflich mache, wo er so einen schönen blauen Anzug trage. Aha, Anwalt, gute Partie. Dann gesteht sie mit gehauchter Schüchternheit ihre Zuneigung, und der Tagtraum der Kellnerin entschwebt im Schmelz echter Geigen.

Normalerweise rufen Kellnerinnen keine unbekannten Männer an. Schon gar nicht Frauen wie Alicia Keys. Es sei denn, sie singen Songs wie „You Don’t Know My Name“. Dann dürfen sie Weihnachtsengel spielen, für alle, die einsam am Radio sitzen. Soul-Musik ist eben gelegentlich kitschig und bieder. Den verhärmten Typ, der heimlich eine Frau anhimmelt, treffen solche Songs ins Herz: In den USA stieg Keys’ neues Album auf Platz 1 der Billboard-Charts ein und verkaufte sich in der ersten Woche 600 000 Mal.

Alicia Keys ging mit fünf Jahren im damals noch berüchtigten Hell’s Kitchen-Viertel von New York zum Klavierunterricht. „Keys“ ist die englische Kurzbezeichnung für Tasteninstrumente. Und die studiert Alicia gründlich, spielt Beethoven, Mozart, Chopin, schreibt mit 14 erste Songs, und unterschreibt mit 16 ihren ersten Plattenvertrag. Vergleiche mit Stevie Wonder und anderen historischen Persönlichkeiten werden bemüht. Eine klassisch ausgebildete Sängerin, die aussieht wie eine Rap-Queen und das gesamte Spektrum schwarzer Musik von Jazz bis HipHop in zeitgemäße Synthesen überführt. Die 10 Millionen verkauften Exemplare ihres Debüt-Albums wird das eigenwilligere „Diary“ vielleicht nicht erreichen. Aber dafür klingt es glaubwürdiger.

Ralph Geisenhanslüke

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