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Kultur: „Hey, ich kann auch locker“

Warum der Kanzler besser aus den Augen grinst und der Kandidat Mühe hat, seine Angriffe ins Hochdeutsche zu übersetzen: eine Wahlkampfbilanz des Kabarettisten Richard Rogler

Herr Stoiber, wir gratulieren Ihnen zu Ihrem überraschend deutlichen Wahlsieg. Wie fühlen Sie sich nach diesem Triumph?

Ich werde mich mit meiner Frau beim Frühstück zusammensetzen und in sachlicher Atmosphäre und unter Zuhilfenahme ihrer Fachkompetenz als Frau in Sachen Gefühle versuchen, äh, zu einem Ergebnis, versuchen, dass ein Ergebnis, äh, jedenfalls. Es macht doch keinen Sinn, dass die engsten Freunde, insbesondere die Frau, also die Ehefrau, die eigene Frau, die Frau, die einem gehört oder angehört, durch die Presse erfährt, wie sich ihr Mann fühlt, ohne vorher mit ihr telefoniert zu haben. So geht man mit Freunden im atlantischen Bündnis nicht um und auch nicht im Ehebündnis.

Ach so, Sie sind es, Stoiber-Parodist Richard Rogler. Woher wissen Sie jetzt schon, was der Kanzlerkandidat am Wahlabend sagen wird?

Ich weiß es nicht, aber ich ahne es. Ich kann mir sogar schon denken, was der Kandidat sagen wird, wenn er verliert: „Es geht nicht um meine Gefühle, sondern, um, äh, äh, die deutschen, also um Deutsch, äh, äh, um um unser Land, äh, wo die Deutschen leben. Und da sage ich ganz klar, es gibt keinen Grund für die Menschen in diesem Deutschland, äh, für die gibt es keinen Grund. Die Tatsache, dass ich gewählt wurde ist nicht gut für Deutschland. Da kann sich niemand freuen. Ich schon gleich gar nicht. “

Stoiber benutzt in seinen Reden Textbausteine wie „Schlusslichtnation", „Dies sind unerträgliche Zustände", „Vier Jahre SPD-Regierung, vier Millionen Arbeitslose". Ist es leicht, ihn zu parodieren, weil er mit Floskeln hantiert?

Ja, sehr, sehr leicht. Und da verweise ich auf die ersten beiden Antworten .

Fallen Ihnen noch andere Stoiberismen ein?

Ich habe mir die Stoiber-Rede in Dortmund angehört. Da hat er wörtlich gesagt: „Das werde ich mit mir sofort ändern.“ Und Herr Rüttgers hat jedesmal ein so saublödes Gesicht gezogen und einen Referenten noch versucht anzustoßen. Aber da war keine Chance mehr. Stoiber wollte so tun, als wäre er im Ruhrgebiet zu Hause, und stand dann wie ein falscher Fünfziger da. Auf Bayrisch hätte er keine Schwierigkeiten gehabt, da hätte er gesagt: „Das wärn ma ändern.“ Das klingt kämpferisch, und Stoiber versucht krampfhaft, dieses Kämpferische ins Hochdeutsche hinüberzuretten. Aber da klappt irgendeine Gehirnschaltung nicht. Im Hochdeutschen ist Stoiber nicht zu Hause, er stammelt auch nie von „äh“ zu „äh“, wenn er Bayrisch spricht. Er muss seine bayrischen Sätze erst ins Hochdeutsche übersetzen, da braucht er eine Zehntel-Sekunde und deshalb stammelt er.

Der Kandidat schachtelt seine Sätze gerne ineinander, ohne sie zu beenden, von Brüsseler Agrarsubventionen führt bei ihm ein direkter Weg zum Arbeitsamt Freising. Ist die Abschweifung Merkmal Stoiberscher Rhetorik?

Abschweifen muss man können. Das ist eine Kunst. Bei Stoiber sind das semantische Rohrkrepierer. Beckstein ist noch viel schlimmer. Der fängt einen Satz an, und schon beim zweiten Komma weiß er nicht mehr, was er gesagt hat. Bei Stoiber ist das Hilflosigkeit, der kriegt die Syntax nicht zusammen. Abschweifen ist was Geniales, wenn man es kann. Sätze wie bei Kleist, mit 16 Kommastellen hintereinander. Aber bei Stoiber klingen die Schachtelsätze immer nur nach Angstschweiß.

Immerhin sagt Stoiber statt zwölf nur noch zwei Mal in der Minute „äh". Haben Sie noch andere Erfolge seiner Imageberater bemerkt?

Mir ist aufgefallen, dass er zuletzt bei allen Themen immer nur grinste. Da hat ihm der Spreng gesagt, er müsse was tun, damit er nicht immer so kühl wirkt. Schon beim ersten Fernsehduell wurde deutlich, dass das Grinsen jetzt zu Stoibers neuem Repertoire gehört. Aber um das hinzubekommen, musste er viel trainieren. Da mussten ganz neue Muskelstränge aufgebaut werden. Durch das Grinsen will er volkstümlich und undistanziert wirken, das hat etwas Angestrengtes. Stoiber will damit zeigen: Hey, ich kann auch locker. Schröder schafft das mit links. Der grinst immer so leicht aus den Augen. Beim Stoiber ist das alles gespielt. Schlecht gespielt, denn Stoiber ist ein viertklassiger Darsteller.

Zu Beginn des Wahlkampfs war Stoiber als „kantiges, echtes" (CDU-Slogan) Original gegen den Spaß- und Hallodri-Kanzler angetreten, dann wurde er von seinen Beratern weichgespült. War das ein Fehler?

Ich glaube, der Stoiber kann nicht anders. Die Berater mussten ihn nicht weichspülen, das ist sein Naturell. Der ist ein ängstlicher, sensibler Bursche. Der tut nur so kantig. Das hat er sich bei Franz Josef Strauß abgeguckt, nach dem Motto: So will ich auch sein. Ich glaube, dass Stoiber ein guter Familienvater ist. Mit seiner Biederkeit hat er gegen den Hallodri Schröder aber überhaupt keine Chance. Schröder ist wirklich einer, der weder Partei noch Verwandte kennt, ein Machtmensch und eiskalter Typ. Da war Stoiber von Anfang an auf verlorenem Posten.

Die „Zeit" spottete über Stoiber, man würde sich bei seinem Anblick immer fragen, „wo ist denn dessen Chef?!". Wendet sich das Image des Schreibtischpolitikers und Aktenfressers am Ende gegen den Bewerber?

Der Chef vom Stoiber ist nach wie vor Franz Josef Strauß im Himmel. Und von dem kommt er nicht los. Und wahrscheinlich erschien der ihm jede Nacht und hat ihn für seine Laschheit zur Sau gemacht. Und das hat den Stoiber total verunsichert. Ich glaube auch, dass Stoiber im Grunde genommen Urängste hat, Bundeskanzler zu werden, weil er dann nur in der Öffentlichkeit steht, und zwar wirklich weltweit. Das ist keiner, der gern in die Öffentlichkeit geht. Hinter seinem Schreibtisch, da fühlt er sich wohl. Stoiber passt nicht in unsere Medienlandschaft. Er ist mehr der Typ Landrat, sehr beliebt, und seine Frau macht dann noch auf Tierärztin.

Auf der Bühne bewegt sich Stoiber ungelenk, beim Fernsehduell hielt er sich krampfhaft an seinem Pult fest. Schröder hingegen scheint das Rampenlicht zu genießen. Wird Stoiber vielleicht nur deshalb nicht gewählt, weil er sich nicht so gut zu inszenieren weiß?

Den Fehler, den Stoiber mit seiner Mannschaft gemacht hat, hat er von Strauß übernommen: Es reicht nicht aus, Deutschland nur schlechtzureden. Natürlich haben die Grünen und die SPD auch Mist gebaut. Aber wenn ich Bundeskanzler werden will, muss ich positive Signale setzen. Jetzt haben Stoiber und die Seinen es langsam begriffen. Es kommt nun dauernd der Satz vor: Mensch, wir Deutschen, wir sind doch wer, sind toll, sind fleißig, sind Dichter und Denker. Aber Stoiber hat zu wenig signalisiert, dass wir uns besser fühlen werden, wenn er kommt. Und dann noch mit dieser Gruftie-Mannschaft. Stoiber steht nicht für Aufbruch.

Stoiber wirkte im Lauf des Wahlkampfes zunehmend erschöpft. Wird er sich klammheimlich freuen, wenn er aus München nicht nach Preußen umziehen muss?

Nein, klammheimlich freut sich nur Angela Merkel.

Wenn Stoiber die Wahl verlieren sollte: Wird er Ihnen als Kabarettist fehlen?

Mir würde er nicht fehlen, denn ich trete ja nicht als Stoiber-Imitator auf. Den Stimmen-Imitatoren wird er fehlen. Aber da kann ich nur sagen: Gott sei Dank, denn die haben sich schon mit Helmut Kohl ihre Einfamilienhäuser zusammenparodiert.

Das Gespräch führten Christian Schröder und Claudia Cosmo.

Richard Rogler, 53, ist Kabarettist und Professor an der Berliner Universität der Künste. Von Sonntag an tritt er bei den Berliner Wühlmäusen mit seinem neuen Soloprogramm „Anfang offen“ auf. Das Stück um Roglers Figur Camphausen ist noch bis zum 29.9. zu sehen.

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