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Kultur: Höhenflüge des Sax

"Großmütter sind stark, mächtig und schön", sagt der Bandleader während des Konzerts und verweist damit auf die ungebrochene Kraft seiner afrikanischen Wurzeln.Archie Shepp, Jahrgang 1937, verwandelt die kämpferische Losung "Black is beautiful" nach wie vor in ein zorniges musikalisches Statement.

"Großmütter sind stark, mächtig und schön", sagt der Bandleader während des Konzerts und verweist damit auf die ungebrochene Kraft seiner afrikanischen Wurzeln.Archie Shepp, Jahrgang 1937, verwandelt die kämpferische Losung "Black is beautiful" nach wie vor in ein zorniges musikalisches Statement.Gleichzeitig gibt er sich als Hüter der Jazz-Geschichte.Shepp selbst ist Bop-Veteran und zählt, nachdem er mit John Coltrane an dessen "Love Supreme"-Sessions mitwirkte, zu den Vorbereitern des Free Jazz.Und als Universitätsprofessor für Literatur und Geschichte der Schwarzen Musik hält er nichts von modernen Rappern und der eklektischen Wynton-Marsalis-Trompete.Schon gar nicht als Musiker.So zeigt sich Shepp im Quasimodo klassisch bis ins Outfit: Sein etwas ausgebeulter Nadelstreifen erinnert ebenso wie das Unterlippenbärtchen an das gute alte böse Harlem von einst.Auch seine Band erscheint in angestaubter Eleganz.Richard Clements am Piano, Wayne Dockery am Kontrabaß und Steve McCraven, der die niedrigen Becken seiner Drums aus der Hüfte anschlägt, haben es nicht leicht, den Höhenflügen des grell aufpolierten Tenorsaxophons zu folgen.Shepp bewegt den großen Kopf und sämtliche Gesichtsmuskeln, nicht aber sein Instrument.Darauf kombiniert er vertrackte Atonalität und viel Blues: Eine Angelegenheit von Schweißtropfen und jeder Menge Speichelfluß.Immer wieder legt Shepp das Sax beiseite und singt: Balladen mit kräftig-gebrochener Stimme, eine männliche Hommage an Billie Holiday, aber auch aufrührende Songs, die von Opfern, "Baby" und Revolution handeln.Shepp, der damit auf seine frühe Karriere als Bluessänger zurückkommt, liefert einen starken, mächtigen und wunderschönen Post-Bebop.Ironie der Geschichte: Auf der Bühne stehen vier schwarze Musiker, doch das Publikum ist samt und sonders weiß.

ROMAN RHODE

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