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Hör BÜCHER: Allen Gewalten zum Trotz

Der Name Sophie Scholl ist zu einem Synonym für den Kampf gegen das Hitler-Regime geworden. In einem Schauprozess wurden sie und andere Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose zum Tode verurteilt.

Der Name Sophie Scholl ist zu einem Synonym für den Kampf gegen das Hitler-Regime geworden. In einem Schauprozess wurden sie und andere Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose zum Tode verurteilt. Am 22. Februar 1943 starb sie, erst 21-jährig, in München unter dem Fallbeil. Anhand von Briefen, Tagebucheinträgen und Zeitzeugengesprächen sowie O-Tönen aus den 1940er Jahren zeichnet Hermann Vinke in „Das kurze Leben der Sophie Scholl“ (Silberfisch, 2013) nun ihr Leben nach. Wie ihre Geschwister meldete sich Sophie freiwillig zum Bund Deutscher Mädchen, beziehungsweise zur Hitlerjugend – sehr zum Verdruss ihres liberalen Vaters, der als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer schon früh das an seinen jüdischen Klienten begangene NS-Unrecht erkannte. Leitspruch der Familie war Goethes „Allen Gewalten / zum Trutz sich erhalten, / nimmer sich beugen, / kräftig sich zeigen.“ Später bekannten Hans und Sophie Scholl, dass es ihr humanistisch geprägtes Elternhaus gewesen sei, das sie über verschiedene Umwege schließlich zum aktiven Widerstandskampf gebracht habe.

Im Zentrum steht Sophie Scholls Beziehung zu dem etwas älteren Fritz Hartnagel. Als der junge Wehrmachtsoffizier in Russland im Fronteinsatz ist, bleibt er ihr auch in der Ferne ein wichtiger Gesprächspartner. Nach dem Krieg wird Hartnagel sich als Richter für Kriegsdienstverweigerer einsetzen und so ihr Vermächtnis weiterführen.

Hört man dieses Feature, fällt auf, dass es im realen historischen Geschehen durchaus Elemente einer klassischen Tragödie gibt, bei der ja immer beide Seiten recht haben: Etwa wenn Sophie sich weigert, dem Winterhilfswerk warme Sachen für die deutschen Soldaten im Osten zu spenden; das sei kriegsverlängernd, meint sie. Sie hat recht.

Doch Hartnagel, der ihr in diesem Punkt widerspricht, hat ebenso recht: Ihm frieren vor Stalingrad zwei Finger ab, die ihm später amputiert werden müssen. Kurz vor dem Schluss muss es nach aristotelischer Dramaturgie in der Tragödie noch einmal Hoffnung geben. Und tatsächlich, Hartnagel entkommt mit einer der letzten Maschinen dem Kessel von Stalingrad, das Ende des Krieges scheint greifbar nah – da werden Hans und Sophie Scholl nach einer erneuten Flugblattaktion in München verhaftet.

Wäre ich Lehrer für Geschichte, ich würde unbedingt auf dieses Hörbuch zurückgreifen. Ehe nun ein Schüler für eine Hausarbeit oder einen Vortrag zum Thema Weiße Rose auf gut Glück und in eigener Regie aus dem Internet Stichworte, Bilder und Jahreszahlen kompiliert, könnte er sich dieses Feature anhören. Es würde ihm helfen, die isolierten Daten in Informationen zu verwandeln – und letztere vielleicht sogar in Wissen.

Ähnliches gilt für „Paul Celan: Zweistimmig, Giora Feidman & Ben Becker“ (Random House, 2013). Feidman und Becker, die man beide auch schon ganz anders erlebt hat, agieren hier äußerst verhalten, fast zurückgenommen. Das trägt zur Wirkung dieses Musik-Wort-Dialogs bei, der auf Texten Celans und auf Briefen, unter anderem von Ingeborg Bachmann, basiert. Sparsam instrumentiert, wird das zu einer unvergesslichen Stunde, die lange nachhallt.

Sollte ein Lehrer vor der Aufgabe stehen, Jugendlichen die „Odyssee“ nahezubringen, empfehle ich ein Stück, das kürzlich beim 5. Berliner Hörspielfestival des freien Hörspiels aufgeführt wurde und via www.deutschestheater.de/spielplan/odyssee/hoerspiel_odyssee kostenlos heruntergeladen werden kann: Suzanne Hensels und Carsten Schneiders „Odyssee“. Am Rande einer Theateraufführung haben Hensel und Schneider Stimmen gesammelt, von Schulkindern bis zu Senioren. Ohne Musik, nur auf Schnitt und Montage setzend, wird daraus ein vielstimmiger Chor, aus dem sich nach und nach einzelne Charaktere herausschälen: Neben Stückzitaten improvisieren die Laiendarsteller auch ganz frei zu zentralen Begriffen wie Held, Mutter, Abenteuer. Wir erleben hautnah, wie ein Mythos durch das Weiterspinnen und -erzählen einer Geschichte entsteht! Von der Jury wurde diese Arbeit lobend erwähnt – ich erwähne sie hier mit allerhöchstem Lob.

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