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Hör BÜCHER: Oderland, Nebelland

Neulich war hier von der großen Tradition der Hörspielkunst die Rede. Wir bleiben beim Thema und legen eine Produktion aus dem Jahre 1961 auf, die ich zugleich allen Hörbuchfreunden sehr ans Herz lege: Theodor Fontanes „Unterm Birnbaum“ (Bearbeitung: Günter Eich, Der Hörverlag, 2013).

Neulich war hier von der großen Tradition der Hörspielkunst die Rede. Wir bleiben beim Thema und legen eine Produktion aus dem Jahre 1961 auf, die ich zugleich allen Hörbuchfreunden sehr ans Herz lege: Theodor Fontanes „Unterm Birnbaum“ (Bearbeitung: Günter Eich, Der Hörverlag, 2013).

Birnbaum? Da denkt man bei Fontane wahrscheinlich reflexhaft an die Birnen des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland und nicht an eine Kriminalgeschichte, abgedruckt in der Zeitschrift „Gartenlaube“. „Ich fürchte“, so wird Peter Demetz in Reinhard Döhls booklet-Text zitiert, „man wird sich eingestehen müssen, dass Fontanes Kriminalgeschichten zu seinen geringeren Produktionen zählen. Zwischen bedeutendsten artistischen Leistungen, wie ‚Unwiederbringlich’ und den ‚Poggenpuhls’ auf der einen Seite und ‚Ellenklipp’ und ‚Unterm Birnbaum’ auf der anderen Seite, liegt eine ganze Welt ...“

Günter Eich war bekennender Fontane-Verehrer. Besucher erinnern sich an die exponierte Stellung der großen Fontane-Ausgabe in seinem Bücherschrank. Als Radiomann mit Sinn fürs Machbare hat er jedoch respektvoll die großen Fontane-Romane unangerührt gelassen und sich bei seiner Adaptation klug auf diese übersichtliche psychologische Kriminalgeschichte beschränkt.

Das ist insofern hervorzuheben, als es heute eine derartige Scheu nicht mehr zu geben scheint: Im Überbietungswettbewerb werden Großproduktionen von über 20 oder 30 CDs auf den Markt geworfen, und Regisseure, die nach dem Motto arbeiten: „Wo ist das nächste Telefonbuch? Her damit, ich inszeniere es Ihnen!“, sind keine Seltenheit.

Eichs persönliche Beziehung zu dieser Novelle mag daher rühren, dass er selbst an der Oder geboren wurde, 1907 in Lebus, nördlich von Frankfurt. Und in diesem Stück geht es ja eben nicht um einen Herrn Ribbeck im Havelland, sondern um die Hradschecks, ein Gastwirtsehepaar im Oderland.

Indem Eich nun diese Hörspielbearbeitung mit einer Lesung seines Oder-Gedichts einrahmt, setzt er von Anfang an einen sehr starken, stimmungsvollen Akzent und drückt der Produktion einen individuellen, fast privaten Stempel auf. Es sind Erinnerungen Eichs, der nach dem Krieg in Bayern lebte, an das verlorene Land seiner Kindheit im Osten. Das ungeschriebene Gesetz, wonach in einer Kriminalgeschichte sofort Blut fließen müsse, setzt er damit jedenfalls spielend außer Kraft. So ist neben aller Spannung, die dieses Kriminalstück zweifellos auch zu bieten hat, vor allem eines wichtig: die Atmosphäre, die rätselvolle Nebellandschaft an der Oder.

Da es sich um ein Kriminalstück handelt – kein Wort zur Handlung. Unter der Regie von Fritz Schröder-Jahn wirken unter anderem mit: Heinz Klevenow, Agnes Fink, Wolfgang Büttner und Tilla Durieux; ebenfalls: Siegfried Lowitz, später als Tatort-Kommissar berühmt. Hier allerdings in der Rolle des Mordopfers. Das höre ich mir gern noch ein zweites Mal an. Und was kommt sonst noch ins Urlaubsgepäck?

Historische Romane sind Genreliteratur, als bunte Kostümfilme in Druckerschwärze sind sie literarisch oft schwach auf der Brust – vielleicht, weil sich die Autoren bereits bei der Recherche völlig verausgabt haben und die Fülle des Stoffs ihnen kaum mehr Platz für Formales lässt. Nicht so, wie ich gehört habe, die Romane der britischen Autorin Hilary Mantel, für die sie immerhin schon zweimal den Booker-Preis erhalten hat: „Falken“ (Audiobuch, 2013), gelesen von Frank Stöckle, werde ich mir auf jeden Fall einpacken.

Leider steckt dieses Königsdrama aus dem 16. Jahrhundert nicht, wie es sich gehört, in edler Pappe, sondern in einer völlig unzeitgemäßen, klapprigen schwarzen Plastikbox, die bei meinem persönlichen TÜV-Test sofort glatt durchgefallen ist. Für solche Fälle gibt es in Asia-Läden aber chinesische Seidentaschen mit CD-Fächern. Ein unbestreitbarer Vorteil von Hörbüchern besteht übrigens darin, dass man, statt am Strand eine dicke Mittelalterschwarte wälzen zu müssen, diskret eine CD einschieben kann: Niemand sieht, was Sie da gerade hören!

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