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HÖREN: Ab ins Kloster

Dass die Pause die größte Musik sei, diese oft gehörte Bemerkung veranlasste eine amerikanische Musikphilosophin bei einer Berliner Konferenz im vergangenen Sommer dazu, sich relativ weit aus dem Fenster, vielmehr über das Katheder hinweg zu lehnen, an dem sie gerade einen Vortrag gehalten hatte. Die Pause sollte also erstens die größte Musik sein, wie jemand aus dem Publikum gerade gesagt hatte, und nun konnte man zweitens eine Stecknadel fallen hören.

Dass die Pause die größte Musik sei, diese oft gehörte Bemerkung veranlasste eine amerikanische Musikphilosophin bei einer Berliner Konferenz im vergangenen Sommer dazu, sich relativ weit aus dem Fenster, vielmehr über das Katheder hinweg zu lehnen, an dem sie gerade einen Vortrag gehalten hatte. Die Pause sollte also erstens die größte Musik sein, wie jemand aus dem Publikum gerade gesagt hatte, und nun konnte man zweitens eine Stecknadel fallen hören. Die Rednerin nahm den Mann in den Blick, sie streckte den Zeigefinger aus und schickte, piffpaff, ein paar Schüsse aus der hohlen Hand zu ihm herüber.

Wahrscheinlich empfand sie einen leichten Überdruss – oder war einfach nur ungezogen. Die Zuhörerschaft jedenfalls war perplex und durfte sich noch einmal an die wichtige Regel erinnert fühlen, dass das Erleben von Musik oft mitten ins Herz trifft, an tief verankerten Glaubenssätzen rüttelt, mitunter sogar zu Aggressivität verleitet.

Dieser Tage konnte man bei einem Rheinsberger Vortrag des CelibidacheSchülers Herbert Bruhn abermals erfahren, wie wichtig die Pause für die Musik ist. Auch Bruhn, der an einem alten Klavier saß und über Quinten, musikalische Höhepunkte und Anton Bruckner extemporierte, hat recht. Und auch aus seinem Munde klingt der Satz nicht neu. Die allergrößte und allerwichtigste Bedeutung der Pause für die Musik besteht natürlich darin, dass gegenwärtig sämtliche Orchester in den Ferien oder auf Reisen sind und die Opernhäuser alle ihre Jalousien heruntergelassen haben. Nur die Musikstudenten müssen noch bis Mitte Juli arbeiten und antreten, deswegen häufen sich allerorten Vortragsabende und Klassenvorspiele.

Dem großen Berliner Publikum aber obliegt es, Opernhäuser und Studenten sich selbst zu überlassen und der einzig wahren, der wirklich sinnvollen Verbindung von Musik und Pause zu frönen: Den Sommerkonzerten auf dem Lande, jenseits der Stadtgrenzen. Mit Kind und Kegel und Picknickkorb. Und im Bewusstsein der Tatsache, dass erst hier, im sicheren Abstand zu Konferenzen und Konzertsälen, Raum ist für Kitsch im Verbund mit Ernsthaftigkeit, für Sonne und Regen, für geistvolle Musik in Kirchen und geistliche Musik unter freiem Himmel. Allein am kommenden Sonnabend werden große Sommerkonzerte gegeben im Kloster Chorin, im Paulikloster Brandenburg, in der Erlöserkirche Potsdam, in der Dorfkirche Stolpe und im Kloster Neuzelle. Gehen, fahren, pilgern Sie hin: Noch schöner pausieren mit Musik lässt sich kaum.

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