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Kultur: Holocaust-Plakat: Der öffentliche Raum ist keine "Ambulanz"

Sehr geehrter Herr Broderunabhängig von Ihren gedanklichen Fehlleistungen zunächst einmal Kompliment für Ihre Feststellung über den öffentlichen Diskussionsraum, der keine Ambulanz sei, in der Verletzte behandelt werden. Meinungskampf: Ja und sofort!

Sehr geehrter Herr Broder

unabhängig von Ihren gedanklichen Fehlleistungen zunächst einmal Kompliment für Ihre Feststellung über den öffentlichen Diskussionsraum, der keine Ambulanz sei, in der Verletzte behandelt werden. Meinungskampf: Ja und sofort! Seit vielen Jahren ist allerdings bekannt, dass Sie sich streng an das Motto halten: Warum denn sachlich - wenn es auch persönlich geht!

In Ihrer Polemik über Lea Rosh und die Privatisierung des Holocaust im Tagesspiegel vom vergangenen Freitag legen Sie einige kühne Behauptungen auf den Tisch, die für einen Polemiker Ihres Zuschnitts flach geraten und eher geeignet sind, der "Geschwatzmaschine" (Paul Celan) neues Futter zu geben.

Zunächst: Der Lea Rosh und Alexander Brenner in den Mund gelegte Satz, "ein einzigartiges Ereignis wie der Holocaust" müsse "einzigartig vermittelt werden", stammt von einem der Werbeleute, die das Plakat entwickelt haben. Sie ordnen leichtfertig etwas zu, ohne bei der Pressepräsentation des Plakates dabeigewesen zu sein.

Sie finden das Spendenplakat des Förderkreises schlecht, aber auch das Engagement für das Denkmal. Das ist Ihre Auffassung seit langem. Ihre Unterstellung, dass das Denkmal keinem anderen Zweck diene, als dem Ehrgeiz der Promoter ein Denkmal zu setzen, bleibt frei erfunden, und der Hinweis auf Ausdauer und Konsequenz als "klassisch deutsche Tugenden" bleibt eine Unterstellung, wenn die Begründung ausbleibt.

Nun zu "autoritäre Pädagogik" und "Gesinnungsterror", den Begriffen, die Sie aus dem Hauptblatt der deutschen Gesinnungsethik zitieren. Im Originalton der FAZ war von "moralischer Selbstgewissheit" und verletzter Würde des Gedenkens am millionenfachen Judenmord die Rede (der protestantische Kirchenprofessor Schröder setzte am vergangenen Sonntag im Tagesspiegel in Sachen Selbstgerechtigkeit, die er bei den Initiatoren für das Denkmal vermutet, ein klassisches Eigentor).

Ja, wir wollen provozieren, nicht aus intellektueller Überheblichkeit, sondern um Motivation und Identifikation für das Denkmal zu stärken. Der Förderkreis will vor allem die Indifferenten, Untentschlossenen ansprechen. Nicht, weil die Realisierung des Vorhabens selbst in Gefahr wäre. Gefährdet ist vielmehr die Identifikation mit der inzwischen zur Staatsaktion erklärten Bürgerinitiative.

Bei der "Privatisierung des Holocaust" haben Sie sich total verhauen. Die Nachbarschaft des Brandenburger Tores allein erbringt nicht den Beweis. Dort wurde der Kommune die Erhaltungsaufgabe entwunden zugunsten einer privaten Pacht, ohne dass die Vorteile für die Stadt bisher plausibel und schlüssig nachgewiesen worden wären. Bei dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist es genau umgekehrt. Hier hat sich eine Bürgerinitiative dafür eingesetzt, dass die staatliche Exekutive mit der Mehrheit des Parlaments diesem "schrecklichen Ereignis der Menschheitsgeschichte" (Paul Celan) einen Ort des Gedenkens und der Ehrung für die Opfer setzt. Damit es aber nicht zu einer Staatsaktion wird, hat es sich der Förderkreis zur Aufgabe gemacht, dieses Projekt bis zu seiner Realisierung engagiert zu begleiten.

Predigtton, sehr geehrter Herr Broder, ist immer eine Falle für Moralisten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Menschen auf der Straße weiter sind als diejenigen, die immer noch mehr Gelegenheit haben, ihre Auffassungen zu Papier zu bringen.

Lea Rosh, Lothar C. Poll[Förderkreis Denk]

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