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Kultur: ¡Hombre!

Daniel Barenboim und die Filarmonica della Scala.

Madrid: Tiefsttemperatur drei Grad, Barcelona: zehn Grad, Cordóba: Regen, sechs Grad – auch auf der iberischen Halbinsel möchte man sich derzeit nach 20 Uhr nicht im Freien aufhalten. Da ist eine virtuelle Reise in der geheizten Philharmonie doch viel angenehmer: Mit Manuel de Fallas „Nächte in spanischen Gärten“ eröffnet Daniel Barenboim sein erstes Staatsopern-Festtagsprogramm mit der Filarmonica della Scala.

Ein abenteuerliches Unterfangen, da der Maestro mal wieder gleichzeitig vom Klavierhocker aus dirigiert, den anspruchsvollen Solopart aus der Partitur spielt und dabei auch noch unablässig die überformatigen Seiten umblättern muss. Manches mag da überakzentuiert klingen (und ist wohl eher als Hilfestellung für das Mailänder Orchester gedacht), im Endeffekt aber beeindruckt dann doch, wie viel von der impressionistischen Atmosphäre des Tonmalerei-Triptychons Barenboim trotz Dreifachbelastung einzufangen vermag.

Im direkten Vergleich mit den „spanischen“ Stücken Maurice Ravels schneidet sein Freund und Zeitgenosse de Falla schlecht ab: Die Musik des Franzosen ist so viel reicher, raffinierter, farbiger. Und Barenboim bringt sie mit den vortrefflichen professori d’orchestra von der Scala zum Leuchten: Ganz viel Zeit hat er im Eröffnungssatz der „Rhapsodie espagnole“ für die hauchzarten Pianissimo- Passagen, von raubtierhafter Geschmeidigkeit ist die „Malagueña“, auf Zehenspitzen schleicht auch die „Habanera“ herein, um sich dann feurig zu entfalten. Als habe Ravel hier das Prinzip von Muskelanspannung und -entspannung in Musik gebannt, wirkt schließlich die finale „Feria: eine faszinierende Übung in sinfonischer Virtuosität, bis zum perfekt gestreckten Schlusssprung.

Varietéhaft-grell reizt der Maestro die Kontraste in der „Alborada del gracioso“ aus, nach der kurzen Verschnaufpause der „Pavane“ soll der „Bolero“ folgen: Doch der Platz an der kleinen Trommel hinten in der letzten Reihe ist leer! Unbemerkt haben zwei Perkussionisten zwischen den Celli Platz genommen, grundieren nun aus der Mitte des Ensembles heraus die exquisiten Soli der Kollegen mit ihrem Dauerrhythmus.

Die anschließende Begeisterung im Saal haben die Italiener einkalkuliert – und gleich die Noten für mehrere Zugaben auf den Pulten parat: alle Orchesterzwischenspiele aus Bizets „Carmen“ nämlich. In die letzten Töne des dritten ruft Barenboim: „C’est fini“, jetzt ist Schluss – und gibt angesichts des fortgesetzten Applauses im Rausgehen dann doch den Einsatz zum Torero-Marsch, taucht kurz darauf im Bühnenhintergrund wieder auf und übernimmt mit strenger Gestik die Mitklatsch-Choreografie. Eine Riesengaudi am Karfreitag. Ay, ay, ay, Berlin, das Einzige, woran die Leute hier glauben, ist eben die Musik. Frederik Hanssen

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