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Kultur: Homosexualität in der Politik: Schwul oder nicht - Paris ist es egal. Wie Frankreich, Großbritannien und die USA zum Thema stehen

Frankreich: Besucher aus Paris wundern sich häufig über die Offenheit der Homosexuellen in Berlin. Händchenhalten auf der Straße?

Frankreich: Besucher aus Paris wundern sich häufig über die Offenheit der Homosexuellen in Berlin. Händchenhalten auf der Straße? Das ist selbst im Homosexuellen-Viertel der französischen Hauptstadt, dem Marais, immer noch ein Grund für die Passanten, sich umzudrehen. Was aber nicht heißt, dass das Bekenntnis des seinerzeitigen Pariser Bürgermeister-Kandidaten Bertrand Delanoe zu seiner Homosexualität für die Franzosen ein Aufreger-Thema gewesen wäre. Delanoe, der im vergangenen März als erster Sozialist seit Menschengedenken das Pariser Rathaus eroberte, hatte sich vor zwei Jahren im Fernsehen geoutet. Eine Überraschung war sein Bekenntnis aber nicht gewesen - tout Paris hatte um die sexuelle Orientierung Delanoes gewusst, der seit 25 Jahren im Dienst der Pariser Kommunalpolitik steht. Zu einer Outing-Welle führte das Bekenntnis des Sozialisten nicht - wohl aber zu einem Aufruf von Delanoes konservativem RPR-Gegenkandidaten Philippe Séguin zur Toleranz. Schwul oder nicht - das ist uns egal, lautete dessen Botschaft. ame

Großbritannien: Eine Probe auf die Toleranz muss im Moment die Partei der britischen Konservativen aushalten. Ex-Verteidigungsminister Michael Portillo, der aus den homosexuellen Begegnungen in seiner Jugend kein Geheimnis mehr macht, gilt als einer der aussichtsreichsten Anwärter auf die Nachfolge des gescheiterten Parteichefs William Hague. Ein Teil der Tory-Anhänger erblickt in ihm schon die Verkörperung einer neuen Offenheit in der gebeutelten Oppositionspartei. Portillo, dessen Eltern vor dem spanischen Bürgerkrieg nach Großbritannien flüchteten und der allein schon wegen seine Herkunft mit dem Klein-Engländertum der Tories aufräumen könnte - warum nicht? Diese Idee ist vielen Konservativen allerdings genauso suspekt wie das Outing des inzwischen verheirateten Portillo. Lord Norman Tebbit, der Margaret Thatcher seinerzeit als Minister diente und heute immer noch gerne gegen Multi-Kulti und überhaupt alles Unbritische zu Felde zieht, will sich im Rennen um den Parteivorsitz in keinem Fall für Portillo stark machen. Den Seitenhieb auf den Ex-Verteidigungsminister verpackte der Tory-Grande in eine Lobrede auf dessen Gegenkandidaten Duncan Smith. Dieser, lobte Lord Tebbit, sei glücklicherweise ein "ganz normaler Familienvater". ame

USA: Hier ist der Superstar der Gay Community die Schauspielerin Ellen DeGeneres. 1997 hat sie sich geoutet. Eng an ihre Ex-Partnerin Anne Heche geschmiegt hat sie dann Ex-Präsident Bill Clinton eines der bekanntesten Fotos seiner Amtszeit beschert: Clinton im herzlichen Plausch mit dem Lesben-Paar. Von Clinton war bekannt, dass Berührungsängste das letzte waren, worunter er litt. Der demokratische Abgeordnete Barney Frank ist heute Ehrengast bei "gay events". 1989/90 durchlitt er den Skandal um einen wegen Drogenbesitzes verurteilten Stricher, den er angestellt hatte und der in Franks aus Steuergeldern mitfinanzierter Wohnung Prostitution betrieb. Frank sitzt noch heute im Repräsentantenhaus. Im angeblich puritanischen Amerika war ein solcher Skandal überlebbar. Franks offen schwuler republikanischer Kollege Jim Kolbe durfte kurz auf dem Nominierungsparteitag 2000 auftreten. Die Republikaner wollen das Thema Toleranz nicht den Demokraten überlassen. Ex-Parteiführer Gingrichs Schwester und Vizepräsident Cheneys Tochter sind beide in der Lesben-Bewegung aktiv. Doch George W. Bush hat es schwieriger als Clinton. Im Wahlkampf traf er sich zwar mit den "Log Cabin Republicans", dem Verein seiner schwulen Parteifreunde, ließ aber keine Kameras zu. Der Frage, ob er einen Schwulen in ein Regierungsamt berufen würde, wich Bush stets aus. Inzwischen hat er es getan.

rvr

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