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Hongkong-Reihe: Kung Fu und Pekingente um Mitternacht

Erinnerungen an die Hongkong-Reihe: An die vielen schwarzen Schöpfe erinnert Wendy Hsiao Wang sich am besten. Und an den Jubel. Mitte der 90er Jahre war das Foyer des Delphi-Kinos in der Kantstraße voll mit Asiaten, die zur „Mitternachtsreihe“ des Forums wollten.

Hier liefen zur Geisterstunde Bollywoodfilme, vor allem aber Kampfsport-Reißer und Komödien aus Taiwan und Hongkong. „Es war eine tolle Stimmung“, schwärmt die Taiwanesin Wang, die seit 30 Jahren in Berlin lebt. Das Publikum fühlte sich gut unterhalten und zeigte das auch. Lautstark.

Für nichtasiatische Zuschauer war die Ausgelassenheit im Kinosaal ansteckend – höchstens manchmal ein bisschen frustrierend. Einer Tagesspiegel-Kritikerin schien es, als sei die Menge nur ins Kino gekommen, „um uns Langnasen durch heimtückisch platziertes Gelächter zu demonstrieren, dass wir beim Untertitel-Lesen wieder einen Witz verpasst haben“.

Spaß ist das, was ein Großteil des Mitternachtspublikums suchte. Studenten waren da, Filmfreaks – „und viele Gastronomen“, sagt Wendy Hsiao Wang. Die meisten Chinarestaurants und Imbisse schlossen gegen 23 Uhr, danach hatten Köche und Kellnerinnen Lust auf Ablenkung – in ihrer Sprache. „Am beliebtesten waren Actionfilme“, sagt Wang, „mit großen Stars aus der Heimat“. Schnelle, laute, leicht verdauliche Kost. Nachdenklicheres wie Ang Lees „Das Hochzeitsbankett“ (1993) kam weniger gut an. Die Melodramen von Wong Kar-Wai („In the Mood for Love“) wurden ebenfalls verhaltener aufgenommen.

Auch Forumsmitbegründerin Erika Gregor erinnert sich an die Gastronomen. Ganze Restaurantbelegschaften seien damals ins Delphi geströmt. „Das ganze Kino hat nach chinesischem Essen geduftet.“ Erika Gregors Leidenschaft für Martial-Arts-Filme stand am Anfang der Hongkong-Reihe. „Das sind richtige Ballettfilme“, fand sie. Und beschloss Ende der achtziger Jahre – gemeinsam mit ihrem Mann, dem Forumschef Ulrich Gregor –, die bereits einige Jahre zuvor gegründete, mit Jazzfilmen und Retrospektiven bestückte Delphi-Mitternachtsschiene ganz dem asiatischen Film zu widmen.

Es wurde eine Kultveranstaltung. „Plötzlich war das Kino eine Goldgrube“, erinnern sich die Gregors. Irgendwann aber ließ das Interesse nach. Anfang der nuller Jahre seien die Vorstellungen „peinlich leer“ gewesen, sagt der heutige Forumsleiter Christoph Terhechte. 2003 lief die Reihe zum letzten Mal.

Früher war das anders. Nach dem Film wurde gefeiert, erzählt Wendy Hsiao Wang. Man ging ins Restaurant „Good Friends“ in der Kantstraße, oder ins „Tai-Tung“ gegenüber der Gedächtniskirche. Dort war noch geöffnet, schließlich war Berlinale, hier traf man sich zum Essen, Trinken, Reden. Wer noch weiter wollte, fuhr nach Kreuzberg, zu „Kim’s Karaoke“ am Mehringdamm. Die Bildschirme hinter der Bühne flimmern heute noch. Keine Filmkunst, sondern koreanische Musikvideos. Man ist schließlich zum Spaß hier. Wie damals im Delphi.

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