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Kultur: Humboldt-Universität: Jugend ist Sünde

"Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen" kam im März 1982 als Inszenierung des Deutschen Theaters in der Ostberliner Akademie der Künste zur Uraufführung. Die alles beherrschende Rolle des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I.

"Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen" kam im März 1982 als Inszenierung des Deutschen Theaters in der Ostberliner Akademie der Künste zur Uraufführung. Die alles beherrschende Rolle des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. spielte Kurt Böwe, Regie führte Alexander Lang. Vom feierlichen Plenarsaal der Akademie ist Heinrich Manns Fragment nun in einer Aufführung durch das carrousel-Theater an der Parkaue freigekommen und auf der Wiese gelandet, nicht auf irgendeiner freilich. Denn das grüne Areal, auf dem die "traurige Geschichte" an diesen warmen Juli-Sommerabenden neu erzählt wird, erstreckt sich im Innenhof der Humboldt-Universität - der große Friedrich ist also heimgekehrt, in knapper Entfernung noch vom eigenen wuchtigen Denkmal Unter den Linden.

Etwa ein halbes Fußballfeld nimmt preußische Geschichte auf, artig gegliedert durch Spielzeuggetier und Holzsoldaten, Heuschober und geruchsfreie Misthäufchen. An den Seiten gibt es luftige Pavillons und ein Schilderhaus, das Zentrum nimmt eine lange weiß gedeckte Tafel (Bühne / Kostüme: Ulrike Kunze) ein. So sehr ernst soll es wohl nicht werden, was da verhandelt wird über europäische Machtpolitik im 18. Jahrhundert und, vor allem, über die brachiale Erziehung eines Prinzen. Regisseur Axel Richter ist auf Sommertheater aus: Fröhlich und unbedarft geht er mit schweren historischen Gewichten um. Kindlich und bunt arrangiert er das Getümmel auf der Wiese - trotz manchem Stechschritt und militärischem Kommando nimmt der Abend so einen eher unpreußischen Verlauf. Heinrich Manns geistsprühendes Spiel über die Widersprüche der "Preußenwerdung" unter dem ersten und zweiten Friedrich kann da schwerlich stattfinden. Die Darsteller müssen mit der schweren Last extremer akustischer Verstärkung fertig werden, oft weiß der Zuschauer nicht, wer gerade redet und wo der Redende sich befindet. Vor saftigen Vergröberungen (Besuch des Zaren) scheut sich Axel Richter vielleicht gerade deshalb nicht, er zeigt, mit Lust, ein aus allen Nähten platzendes Preußen gewalttätiger Sinnlichkeit. Erst mit der Katte-Geschichte kommt die Aufgeregtheit, das Hin und Her auf der allmählich im Dämmer versinkenden Wiese zur Ruhe. Nun ist die Tafel schwarz verhüllt, und Rainer Büttner als Friedrich Wilhelm I. darf den Wüterich, den Berserker ruhiger zeigen, mit einer freundlich-resignierten Einsicht auch. Denn gerade diese Figur, weit mehr als der kindliche Kronprinz, ist die große Leistung des Dialogromans. Einer, der einen Staat baut, rücksichtslos auch sich selbst gegenüber, unberechenbar, grausam, ohne Skrupel. Auf der Wiese hinter der Universität bleibt davon kaum mehr als ein deftig-putziges Spiel.

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