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Kultur: „Ich mach’s für Richard!“

Vor dem „Parsifal“: Schlingensief in Bayreuth

Dass Christoph Schlingensief ein durchaus affirmatives Verhältnis zu Wagner hat, weiß man nicht erst, seit er die Regie für den diesjährigen Bayreuther „Parsifal“ übernahm. Vor der Premiere im Juli stellte sich Schlingensief nun den Einheimischen vor: mit einem zweitägigen Marathon von Filmen, Fernsehshows, Aktionsdokumentationen und Hörspielen im Bayreuther „Zentrum“. Auch zur Diskussion war der Opern-Novize angereist, wenn auch nicht über seinen „Parsifal: „Da sag’ ich nix. Sonst werd’ ich entlassen.“ Immerhin: „Ich mach’s für Richard.“

Zwei Tage vor Probenbeginn sagte Schlingensief dann doch einiges im Gespräch mit seinem Dramaturgen Carl Hegemann, der von der Berliner Volksbühne kommt. Wer Schlingensiefs Arbeiten kennt, weiß um seine ungewöhnliche Auffassung von Werktreue. Das Opus, aufgeladen durch die totale Persönlichkeit: Es geht nicht um „Provokation“, sondern um „Selbstprovokation“. Der Apothekersohn weiß, dass kleine Giftmengen die Selbstheilung befördern. Und der Katholik, dass Theater eine Beichte ist.

Für den Beuysianer Schlingensief fließt die Kunstkraft nicht nur zwischen Bühne und Publikum, sondern auch zwischen seinen verschiedenen Theaterproduktionen. Gut möglich also, dass der „Parsifal“ Momente früherer Arbeiten enthalten wird. „Bayreuth,“ so Schlingensief, „ist eine Station im Fluss“. In dieser „komplizierten Hafenanlage“ will er jene Kraftfelder weiterentwickeln, die in „100 Jahre Adolf Hitler“ und im „Deutschen Kettensägermassaker“ wirksam waren. Und gerade war er wieder in Namibia, wo er seine erste Wagner-Rallye veranstaltete und nun nach neuen Bildern für den „Parsifal“ suchte.

Dabei hasst Schlingensief das Regietheater der „abgehalfterteten Regisseure“: Platte Anbindungen an die Realität würden die Musik nur töten. Die aber hole die Bilder heraus, die durch „Vorbelichtung“ immer schon da waren: schon vor dem 11. September. In der Extremsituation Bayreuth geht es dem Anti-Regisseur um den „Kampf zwischen Analyse und dem, was mich dionysisch erfasst“.

Schlingensiefs Vermutung, Bayreuth sei ein Nest der Revolution, lässt den Schluss zu, dass sein „Parsifal“ alte Gewissheiten aufkündigen wird. Den Fachleuten misstraut er jedenfalls ebenso wie jenen, die ihm die Angst einreden wollen, die er schon durch die Gründung der „church of fear“ auf die Spitze getrieben und damit unschädlich gemacht hat.

Nein, Schlingensief hat keine „Angst“ vor Bayreuth. „Lieber das Chaos als Nichts“: mit dem Motto von Joseph Beuys kündigt Schlingensief seine Inszenierung an. Man erinnere sich an die wilden „Atta“-Abende: Auch auf dem Grünen Hügel geht es um das Verhältnis von Kunst, Terror und den letzten Dingen. Und der alte Richard schaut dem jungen Hügelstürmer über die Schulter.

Frank Piontek

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