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Kultur: Ich mag mich doch sehr

Joachim Meyerhoffs Schauspielerbeichte: Uraufführung am Berliner Maxim Gorki Theater

Für Max Frisch war Biografie „ein Spiel“: Alles könnte auch ganz anders sein. Niklas Luhmann definiert Biografie lakonisch als „eine Sammlung von Zufällen“. Der Soziologe, für den Individuen nichts als „psychische Systeme“ sind, sagt es denkbar trocken: „Das Kontinuierliche besteht in der Sensibilität für Zufälle.“ Joachim Meyerhoff, Schauspieler, Autor und Regisseur, macht es sich einfacher. Für ihn ist sein eigenes Leben eine Sammlung von Schnappschüssen, die er vor den Betrachtern ausführlich ausbreitet. Lauter Polaroids, die mit großem Aufwand zu Theaterszenen, also zu bedeutungstragenden Momenten, aufgeblasen werden.

Am Berliner Maxim Gorki Theater hat Joachim Meyerhoff sein Familienalbum auf die Bühne gebracht. Das Stück heißt „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“ Es ist der grundsympathische Versuch, auf der Bühne ungeschützt persönlich zu werden – zum Beispiel vom Tod der geliebten Großmutter, aber auch von jugendlichen Bordell-Besuchen in der Hamburger Herbertstraße zu erzählen. Die Uraufführung zeichnet sich vor allem durch große Redseligkeit aus. Meyerhoff, der mit der neuen Spielzeit als Schauspieler ans Wiener Burgtheater wechselt, hat in der Vergangenheit bei seinen wagemutigen Regie-Projekten am Maxim Gorki Theater („Sauna“, „Fabian“) Recherche-Genauigkeit und hemmungslos abdrehenden Spieltrieb aufs Schönste ausbalanciert. Bei seiner neuen Arbeit fehlt dieses Vergnügen am Spiel. Der Abend franst aus.

Den Anfang macht der Regisseur und Autor selbst: Meyerhoff erzählt in aller Unschuld, wie seine Großmutter und sein Großvater sich kennen gelernt haben. Er gab ihr Schauspielunterricht, damals, zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Der Großvater kam in den Nachkriegswirren ums Leben, ein neuer Mann trat ins Leben der Großmutter. Obwohl er wie der alte Großvater Hermann hieß, war er ganz anders: streng, ernst, katholisch. Und genau so sieht er auf den Fotografien im Hintergrund auch aus. Man hört Meyerhoff gern zu, er strahlt so schön vor sich hin. Er hat seine Großeltern geliebt, von dieser Liebe wird der Erzählfluss getragen. Das ist nett anzusehen, nur weiß man nicht so recht, was es soll. Die leere Spielfläche, auf der sich wie eine endlose Schlange eine geschwungene Holzbank windet (Bühne: Sabine Volz und der Regisseur), die Fotografien im Hintergrund, das an ihnen heruntertröpfelnde Wasser, die großen Buchstaben in Silber am Portal verkünden, um was es hier geht: um den Tod.

Das Memento Mori und all die Verstorbenen, die sich in einer Familiengeschichte ansammeln, geben die Grundierung. Die toten Großeltern, der Unfalltod des Bruders, der Krebstod des Vaters, aber auch der eingeschläferte Familienhund und eine überfahrene Katze werden ausgiebig gewürdigt. Das elfköpfige Ensemble, mal ganz in weiß, mal halbnackt, mal in zufälliger Alltagskleidung, erzählt halb szenisch von den Gefühlsverwirrungen und Überlebensstrategien, von den Erinnerungsresten und Enttäuschungen des kleinen und des größer werdenden Joachim.

Er ist schon sehr begeistert von dem jungen Menschen, der als Austauschschüler in den USA irgendwo im mittleren Westen bei einer Whirlpool-Party in den Bergen Sex mit einer Unbekannten hat: deutsch-amerikanische Freundschaft in ihrer schönsten Variante. Von den geglückten und abgestürzten Liebesgeschichten, von Schauspieler-Peinlichkeiten und einem Selbstmordversuch, von diesem und jenem erzählt das Stück. Aber eigentlich erzählt es stundenlang nur davon, was für ein prima Kerl dieser Meyerhoff doch ist.

Wieder am 21. und 27. April

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